Die Germanen und die Kelten,
weiß der Chronist zu vermelden,
trieben ihre harten Winter,
Not und Krankheiten nicht minder,
Schellen rasselnd aus dem Land.
Was sich dann damit verband,
war sicherlich ein wildes Fest,
trotz Hunger, Kälte, Schnee und Pest.
Der Met floß reichlich und in Strömen,
man ließ im Lager sich verwöhnen,
vergaß für ein paar Tage mal
des Lebens Ernst und Hungers Qual.
Dann kam das dunkle Mittelalter.
Es gab Fürsten und Verwalter,
reiche Herren, arme Leute,
oben, unten, so wie heute.
Ein Volk, das nichts zu lachen hat,
ausgebeutet, selten satt,
sich duckt unter der Pfaffen Knute
und darbt unter der Fürsten Rute,
das leidet unter harter Fron,
schwerer Arbeit, schlechtem Lohn,
sucht ein Ventil für seine Pein.
Da fallen ihm die Bräuche ein,
die schon zur Zeit der Spätantike
erlaubten einer kleinen Clique
von Sklaven einen Rollentausch:
Sie spielten Herren und im Rausch
da wagten sie mal was zu sagen,
riskierten weder Kopf noch Kragen,
denn Narrenfreiheit gab es da,
wenn auch nur einmal jedes Jahr.
Die ausgelass‘ne Festlichkeit
war damals Gott Saturn geweiht.
Narren gabs nicht nur in Rom.
Schulen, die von Stift und Dom
betrieben war´n im Mittelalter,
singen Litanei und Psalter,
lehren Zöglingen Latein,
und trichtern ihnen Mores ein.
Wurde da der Druck zu groß,
brach bald ein Mordsspektakel los.
Die Knaben wählten aus der Runde,
so lautet jedenfalls die Kunde,
den Bischof- oder Narrenpapst.
Ihr könnt mir glauben, sowas gab’s!
Dann spielten sie ihr Narrenspiel,
aßen, tranken, reichlich, viel,
nahmen Narren auf die Schippe,
riskierten eine große Lippe,
kurz, es war ‘ne Parodie
auf Riten und Theologie.
Im Kloster gab es andre Sitten:
Eh‘ sie am Fleischentzuge litten,
aßen Mönche, Äbte, Nonnen,
die dem Irdischen entronnen,
nochmal richtig mit Genuss,
was der Mensch so essen muß,
um nicht gleich vom Fleisch zu fallen,
wenn am Aschermittwoch allen
schrieb die Klosterregel vor:
„Carne vale“ sang der Chor.
Nun war die Phantasie gefragt.
Was ist Fleisch, was Fisch, nun sagt?
Fisch ist nur, was Schuppen hat,
ein Aal dagegen, der ist glatt!
Den Biber darf man aber kochen,
weil er am Fischschwanz auch hat Knochen!
Wie ist es nun mit Bier und Wein?
Bier ist erlaubt, stark muss es sein!
Gebraut wird mit der rechten Würze,
das spürt man auch in aller Kürze.
Also, eh‘ sie müssen darben,
den Genüssen, Freuden, Farben
abschwör’n müssen und verzichten
auf all das Schöne und nur richten
den Blick nach oben und nach innen,
um‘s Seelenheil so zu gewinnen,
hau’n alle nochmal auf den Putz
zu jedes frommen Christen Nutz!
Seit Luther auf den Plan getreten
und viele evangelisch beten,
da wendet langsam sich das Blatt.
Die Protestanten haben’s satt,
dass Katholiken fröhlich feiern
in Sachsen grad so wie in Bayern,
verbieten strikt, wo sie es können,
weil sie das Feiern keinem gönnen.
Irgendwann tut’s ihnen leid,
daß die heit’re Faschingszeit
so puritanisch streng geworden.
Da fangen sie an vielen Orten
mit Alemannen Fasnet an,
nach Aschermittwoch aber dann!
Alle lernen Flöte blasen
von Rottweil über Zürn bis Basel.
Nun pfeifen sie den Winter raus
und seh‘n, dank Masken, schaurig aus.
In Florenz und Rom inzwischen,
Venedig durfte auch mitmischen,
war der Karneval ganz groß.
Gefeiert wurde da famos
mit Bällen und mit Maskeraden.
Das kann doch eigentlich nicht schaden?
So dachte man in Köln am Rhein,
lud ein paar Funktionäre ein,
sie in die Riten einzuweisen
und dazu an den Rhein zu reisen.
Das war so zu Napoleons Zeiten,
und sollt‘ den Leuten Spaß bereiten.
Man kürt‘ den Prinzen Karneval
auf einem ausgelass’nen Ball
und stellt ihm eine Prinzen-Wache.
Das war nun fortan Mädchen- Sache.
So zeigte man der Obrigkeit,
daß man der Uniformen leid,
und konnt‘ ein bißchen Dampf ablassen
beim Schunkeln in den Altstadtgassen.
Die Herrschaft hatten nun die Narren
mit Persiflagen auf den Karren.
Die Obrigkeiten lächeln sauer
über Witze und Kalauer.
Und so ist es bis heut geblieben.
Ob die Leut‘ den Fasching lieben,
die Fastnacht oder Karneval,
hat tief‘ren Sinn auf jeden Fall.
Sie wollen fremde Masken tragen,
über ein paar Stränge schlagen,
schlüpfen in `ne andre Haut.
der keiner auf die Finger schaut,
Narrenfreiheit mal genießen
und trotz alledem noch wissen:
Der Aschermittwoch kommt gewiß
und alles bleibt so, wie es ist!
Hildegard Beuschlein
für Inner Wheel 2005