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Das Haushaltskunde-Heft von 1937

Das Haushaltskunde-Heft von 1937

Meine Mutter Monika Giegerich, geborene Ott (1921-2006) , wurde in dem kleinen Ort Hausen bei Kleinwallstadt kurz nach dem ersten Weltkrieg geboren. Der Ort war vor allem durch Heimschneider geprägt. Sie war eines von zehn Kindern des Landwirts Anton Ott und seiner Frau Barbara. Die Familie lebte in bescheidenen Verhältnissen im Haus-Nr.  46 ½ . Monika Ott besuchte die Volksschule in Hausen, in der die erste bis vierte und die fünfte bis achte Klasse jeweils gemeinsam unterrichtet wurden.

Monika Ott machte keine Lehre, sondern verfügte über verschiedene Fertigkeiten, wie aus dem Arbeitsbuch hervorgeht, das am 22. Juni 1938 vom Arbeitsamt Aschaffenburg ausgestellt wurde.[1] Sie hatte „landwirtschaftliche Kenntnisse, bei den Eltern“ erworben.  Unter sonstiger Fachausbildung stand; „nähen, flicken, stricken, waschen, kochen.“

Durch die Mitarbeit im Haushalt und durch entsprechenden Unterricht erlernte Monika Ott haushaltsnahe Fertigkeiten. In einem Haushaltskunde-Heft von 1937/38, das einem 3. Jahrgang zugeordnet wird – wahrscheinlich nach der Volksschul-Zeit, sind Rezepte niedergeschrieben, die ein Licht auf die damaligen Lebensverhältnisse werfen. Das Haushaltskunde-Heft lag Jahrzehnte in einem Karton im Keller. Wechselnd zwischen lateinischer und deutscher Schrift[2] „sind nachfolgende Rezepte stets für 6 Personen berechnet“.

Bei der 1. Kartoffelsuppe war neben den Mengenangaben auch der jeweilige Preis angegeben, eine Orientierung für das Haushaltsbudget. 1 Kilo Kartoffeln für 0,06 Mark, Wasser, Salz und Suppengrün für 0,02 Mark, 2-3 Esslöffel Fett oder Butter für 0,14 Mark. Insgesamt für 0,22 Mark eine Kartoffelsuppe. Verfeinert wurde die Suppe mit Petersilie, Sellerie, Lauch und gelbe Rüben, wohl aus dem Garten, da hier keine Kosten angeführt wurden. „Nach Belieben“ konnte man der Suppe noch Ei, Rahm und in Butter geröstete Weckwürfel  hinzugeben.

Die weiteren Rezepte:

  1. Kartoffelsuppe (feinere Art)

„Die Kartoffeln werden geschält, weich gekocht, abgegossen und dann durch ein Sieb getrieben. Der Kartoffelbrei wird dann mit Fleischbrühe verdünnt und mit einer kleinen Mehlschwitze zu einer sämigen Suppe gekocht. Man würzt mit etwas Salz, rührt Rahm und ein Eigelb hinein und gibt zuletzt noch etwas feingeschnittene Petersilie hinzu.“

Schweinepfeffer

Eintopfgerichte

  1. Pichelsteiner
  2. Pichelsteiner mit Fisch

Einfache Kleinbäckerei (Eier und Butter sparen)

  1. „Haferflockenmakronen

Bedarf: 2 Tassen Haferflocken, 1 Tasse Milch, 1 Tasse Mehl, 1 Tasse Zucker, 1 Ei, 1 P. Vanillzucker, etwas Zimmt, 1 Backpulver

„2 Tassen Haferflocken fein wiegen, mit einer Tasse Milch überbrühen, dann nach und nach hinzufügen: 1 Tasse Mehl, 1 Tasse Zucker, 1 Ei, 1 P. Vanillzucker, etwas Zimmt, 1 P. Backpulver. Gut vermengen, mit dem Kochlöffel kleine Stückchen auf ein gut gefettetes Blech setzen und bei mittlerer Hitze bräunlich backen.“

 

  1. Schokoladenmakronen

„werden nach gleichem Rezept hergestellt; nur nimmt man weniger Mehl und dafür reichlich 1 Esslöffel Kakaopulver und 1 Tasse Zucker mehr.“

 

  1. Nussplätzchen

Bei der Seite für die Kleinbäckerei ist noch eine Datumsangabe angefügt: 29.11.37, also passend zur Vorweihnachtszeit.

Monika Ott arbeitete von 1938 bis 1939 als Haus- und Kindermädchen bei einem Schneider in Hausen. Dort konnte sie ihre Kochkünste einsetzen. Im Oktober 1939 versuchte sie sich als Bandnäherin bei einem Konfektionsschneider in Hausen. Von Januar 1940 bis Januar 1944 war sie als Hausangestellte im Städtischen Krankenhaus in Aschaffenburg beschäftigt. Ob dies im Rahmen eines staatlichen Arbeitsdienstes geschah, ist aus dem Arbeitsbuch nicht ersichtlich. Ab Februar 1944 bis zum 19. September 1946 fand sie wieder eine Anstellung als Näherin in der Aschaffenburg Kleiderfabrik Heinrich Euler &. Co.  Alois Stadtmüller schreibt über das Firmengebäude in der Erthal-Straße 18: „Heinrich Euler und Co., Volltreffer (12.12.1944) und Artillerie reißen klaffendes Loch in die Frontseite, erschüttern das ganze Mauerwerk, beschädigen Wände, Decken, Fenster und Türen; Brandbomben durchschlagen mehrere Stockwerke, Dachstuhl abgebrannt“.[3] Dabei kamen 16 Personen ums Leben. Der Firmeninhaber Heinrich Euler wohnte von Januar 1945 bis zum April 1947 in Hausen Haus-Nr. 24 ¾.[4]

Monika Ott heiratete am 21. September 1946 in Hausen den Lokomotiv-Führer Franz Giegerich aus Aschaffenburg[5]. Ihre Koch- und Backkenntnisse nutzte sie fortan im Haushalt in der Tirolerstraße 19. Besonders schmackhaft waren ihre Christstollen, die sie in der Vorweihnachtszeit buk und gelegentlich an Freunde und Verwandte verschenkte.

[1] Laut Gesetz vom 26. Februar 1935, RGBl. 1, S. 311, §1, Abs. 1: Um die zweckentsprechende Verteilung der Arbeitskräfte in der deutschen Wirtschaft zu gewährleisten, wird ein Arbeitsbuch eingeführt. §2: Arbeiter und Angestellte, für die nach § 1 Arbeitsbücher ausgestellt sind, dürfen von dem Zeitpunkte an, den der Reichsarbeitsminister bestimmt, nur beschäftigt werden, wenn sie im Besitze eines ordnungsmäßig ausgestellten Arbeitsbuches sind. Arbeitsbuch Monika Giegerich vom 22.Juni 1938, SEAD Mannheim.

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Antiqua-Fraktur-Streit#Normalschrifterlass [abgerufen am 19.09.2023]

[3]Alois Stadtmüller, Aschaffenburg nach dem Zweiten Weltkrieg, 317.

[4] Meldekarte Heinrich Euler, SSAA.

[5] Meldekarte Franz Giegerich, SSAA.

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