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Tabellarischer Lebenslauf des aus Obersinn stammenden Schriftstellers Leo Weismantel

Prof. Dr. Dr. h. c. Leo Hugo Weismantel – Schriftsteller, Dichter und Pädagoge.

Sein Geburtsort Obersinn hat ihm mit dem nach ihm benannten Museum ein Denkmal gesetzt, das Exponate aus seinem Leben und Werk zeigt. Wenn Weismantels Vita Ihr Interesse geweckt hat, sei ein Besuch in Obersinn wärmstens empfohlen: https://www.markt-obersinn.de/tourismusfreizeit1/leo-weismantel-haus/die-ausstellung

Tabellarischer Lebenslauf, basierend auf den Daten des Leo-Weismantel-Hauses Obersinn:

10.06.88 Leo Weismantel wird als 7. Kind der Gastwirtseheleute August und Barbara Weismantel in Obersinn im Haus Nr. 71 (heute Hauptstr. 54) geboren
ab 1895 Besuch der Volksschule Obersinn; Sonderunterricht durch Pfarrer August Hess, u.a. in Latein
ab 1899 Nach der 4. Klasse Übertritt auf das Königlich Humanistische Gymnasium in Münnerstadt (Unterricht auch durch Patres der Augustiner)
1901 Leo Weismantels Schwester Marie (5. Kind der Weismantels) stirbt mit 18 Jahren, es bleibt von den Geschwistern nur noch Bruder Karl Matthäus (2. Kind, geb. 01.05.1873, also 15 Jahre älter als Leo).
1906 Leo verlässt das Gymnasium aufgrund gesundheitlicher Probleme ohne Abitur
1908 – 1915 Studium an der Universität Würzburg, mangels Abitur belegt er das Fach Zahnmedizin, er besucht jedoch die Vorlesungen der philosophischen Fakultät.
Weismantel löst eine geographische Preisaufgabe der Universität (eine Monographie über die Hassberge), mit dieser Arbeit erwirbt er, nachdem er zwischenzeitlich in Münnerstadt das Abitur nachgeholt hat, den Doktorgrad der Philologie mit „summa cum laude“.
Leo W. studiert Geographie, promoviert als Geograph.
1915 – 1919 Lehrer an der privaten Handels- und Realschule „Institut Adam“ in Würzburg, er unterrichtet Deutsch, Geschichte und Erdkunde.
02.09.1915 Hochzeit mit Luise Wetzell (Studienkollegin aus Laubach in Hessen) in Obersinn, Trauung durch Bürgermeister Johann Michael Weikinger und kirchlich durch Pfarrer Eugen Knecht
17.06.1916 Geburt der Tochter Gertrud
1917 Während der Zeit am Institut Adam schreibt Leo W. in den Unterrichtspausen zeilenweise der Roman „Mari Madlen“, dieser wird vorab in der Monatszeitschrift „Hochland“ veröffentlicht und bepreist. Mit der Veröffentlichung wird Weismantel mit einem Schlag bekannt und sein dichterischer Ruhm begründet.
1920 Leo Weismantel, aufgrund seiner Veröffentlichungen inzwischen finanziell unabhängig, gibt seine Stelle am Institut Adam auf. Die Familie siedelt ins ländliche
Marktbreit am Main in ein Haus mit Garten in Bahnhofsnähe über und Leo Weismantel wird freischaffender Schriftsteller und Pädagoge
09.12.1920 Geburt des Sohnes Werner
1921 Uraufführung Bühnenspiel „Totentanz“, parallel in Nürnberg und in Bonn
1922 Fastenrath-Preis der Stadt Köln
1923 Verleihung des Kleist-Preises
1924 – 1928 Abgeordneter der Christlich Sozialen Volkspartei im Bayerischen Landtag
24.06.1925 Leo W. fordert u.a. die Kirche zum Verzicht auf die Bekenntnisschule auf
1928 Leo W. gründet mit eigenen Mitteln ein Lehr- und Forschungsinstitut zur Förderung der Erneuerung des Schulwesens („Schule der Volkschaft für Volkskunde und Erziehungswesen“) in Marktbreit
5.-8.05.1928 Erste Tagung mit 80 Lehrkräften, Tausende Teilnehmer im Laufe der Zeit
1928 Veröffentlichung des Romans „Das alte Dorf“ als ersten Teil der „Rhön-Trilogie“, die beiden andere Werke der Trilogie „Die Geschichte des Hauses Herkommer“ und „Das Sterben in den Gassen“ folgen 1932 und 1933.
29.05.1930 Tod des Bruders Karl Matthäus. Karl hatte das Geschäft der Weismantels durch wertlose Kriegsanleihen und riskante Börsengeschäfte in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg ruiniert. Die Firma war in Konkurs, das Anwesen Obersinn Haus Nummer 71 gehörte den Banken. Leo Weismantel verlor bei dem Konkurs seinen väterlichen Erbteil.
1931 – 1933 Soziologische Untersuchungen im ehemaligen Oberschlesien im Auftrag von Reichsinnenminister Dr. Joseph Wirth
1932/1934 Hitler selbst soll sich angeblich gegen das von Weismantel für das von der Gemeinde Oberammergau im Herbst 1932 in Auftrag gegebene „Gelübde-Spiel“ gewandt haben, weil darin die antisemitischen Akzente fehlen würden. Die Uraufführung erfolgt dennoch im Sommer 1934.
1933 Der neue Propagandaminister Joseph Goebbels beruft ihn am 6. Juli „im Hinblick auf seine bisherigen schriftstellerischen Arbeiten in den Dichterkreis und damit zugleich in den Bundesausschuß“ des Reichsbunds der deutschen Freilicht- und Volksschauspiele e. V. Im selben Jahr veröffentlicht Weismantel die „Sonnenwendfeier des jungen Deutschland“.
1933 Im Oktober unterzeichnet Weismantel als einer von 88 Schriftstellern (darunter auch die Rienecker Schriftsteller-Gebrüder Anton und Friedrich Schnack) das sogenannte „Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler“.
1935 Leo Weismantel wendet sich auf Anraten seines ehemaligen Religionslehrers, des Augustinerpaters und späteren Ordensgenerals Clemens Fuhl, der religiösen Thematik zu. Unter den zahlreichen kleineren religiösen Dichtungen befindet sich auch die Legendensammlung „Wie der heilige Geist das deutsche Volk erwählte“. Sie wird 1935 sofort nach Erscheinen beschlagnahmt und eingestampft.
1936 Leo W. muss sein Institut in Marktbreit aufgeben und siedelt nach Würzburg um.
1939 1. Inhaftierung: Der Würzburger Gauleiter Dr. Otto Hellmuth, vorher in Marktbreit Zahnarzt und in persönlicher Aversion zu Weismantel stehend, lässt Leo W. von der Gestapo überwachen. Weismantel wird in einer Einschätzung der Gauleitung Main-Franken der NSDAP aus dem Jahr 1939 als ein „typischer Vertreter der Katholischen Aktion“, bezeichnet. Weismantel wird am 10.12.1939 nach dem Attentat auf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller verhaftet, wurde aber wieder entlassen.
1943 Leo W. wendet sich wieder seinen Künstler-Romanen zu. Bereits entstanden waren „Dill Riemenschneider“, „Leonardo da Vinci“ und „Gericht über Veit Stoß“. Die „Grünewaldtrilogie“  folgt bis 1943. Im gleichen Jahr wird aber dann ein Schreibverbot über ihn verhängt.
1944 2. Inhaftierung: Die zweite Verhaftung von Leo Weismantel in der Nazi-Zeit folgt nach dem Attentat vom 20. Juli 1944. Leo W. kommt in ein Sonderlager am Würzburger Stadtrand und erleidet dort einen vollständigen gesundheitlichen Zusammenbruch mit einer Darmlähmung. Der Lagerarzt erkennt in ihm den Autoren. Ein glücklicher Zufall! Der Hinweis des Arztes, Weismantel sei so oder so hinüber, und er stürbe besser außerhalb des Lagers brachte ihn in ein Krankenhaus, wo er wochenlang noch als Gestapo-Häftling lag, bis man ihn schließlich aus der Haft entließ.
1944 Gesundheitlich immer noch angeschlagen kehrt er noch 1944 in seinen Heimatort Obersinn zurück.
16.03.1945 Bombenangriff auf Würzburg. Dem Feuersturm fällt auch die Wohnung Weismantels in der Würzburger Theaterstraße 4 zu Opfer. Seine Manuskript- und Dokumentensammlung wird dabei vollständig zerstört.
1945 Im Herbst 1944, also längere Zeit vor der bedingungslosen Kapitulation gibt es bereits eine sog. „Weiße Liste“ der amerikanischen Siegermacht, in der tragende Persönlichkeiten für eine demokratische Nachkriegszeit verzeichnet waren. Leo Weismantel erscheint darin als möglicher Unterrichts- und Kultusminister. Er lehnt das Amt nach dem Krieg aber ab.
Okt. 1945 Die Militärregierung setzt ihn als Schulrat im Bezirk Gemünden am Main mit dem Dienstsitz in Obersinn ein. Dafür werden ihm Räume und eine Wohnung in seinem Elternhaus (damals Haus Nummer 71) zugewiesen.
Okt. 1946 Weismantel sucht als Schulrat eine Erneuerung des schulischen Lebens auf der Grundlage der von ihm begründeten „Schule der Volkschaft“. Er kritisiert die wieder neu in Kraft gesetzte bayerische Lehrordnung von 1926, polemisiert gegen die neu erscheinende Lesebücher, äußert sich gegen die Konfessionsschule und verlangt einen pädagogischen Kongress, auf dem sich das Bayerische Kultusministerium öffentlich all diesen Fragen stellen soll. Er knüpft dabei an Forderungen aus seiner Zeit als Landtagsabgeordneter an. Im Oktober 1946 wird er wieder von seinem Posten absetzt.
1947 – 1951 Das Land Hessen hat Nachholbedarf in der Ausbildung von Lehrern und richtet für die Volksschul-Lehrerausbildung in Fulda ein „Pädagogisches Institut“ ein. Als dessen Leiter holt man Leo Weismantel nach Fulda, ausgestattet mit einer Professur für Kunsterziehung und Deutsch.

Leo Weismantel leitet das Institut bis zu dessen Auflösung am 30. Juni 1951

10.06.1948 Am 10. Juni 1948 steht der 60. Geburtstag von Leo Weismantel an. Zu dieser Zeit wohnt er ja in Obersinn. Aus Anlass seines runden Geburtstages ernennt ihn seine Heimatgemeinde Obersinn zu ihrem Ehrenbürger. Es entsteht auch ein Buch des Dankes zu des Dichters 60. Geburtstag mit mehreren Autoren, z.B. Rudolf Reuter, unter dem Titel „Leo Weismantel, Leben und Werk“.
1949 In seiner Fuldaer Zeit entsteht nach 1949 das in vierzig (!) Jahren von Leo W. entwickelte Lesewerk „Der Rosengarten“, das in den Jahren 1950 bis 1954 in der Hessischen Lesebuchstiftung erschienen ist, und vornehmlich in hessischen Schulen benutzt wird.
Ab 1950 Die reformpädagogischen Themen, denen er sich nach seiner Fuldaer Zeit wieder zuwendet, finden aber fortan keine Beachtung beim Wiederaufbau des Bildungswesens im Nachkriegs-Deutschland. Die pädagogische und literarische Richtung von Weismantels Werk passt einfach nicht mehr zu den in der Bundesrepublik kulturell vorherrschenden Linien.
Der politische Mensch Weismantel hat sich aus dem unermesslichen Leid des Zweiten Weltkrieges eine radikale Umkehr, eine Abwendung von jeglicher Machtpolitik erhofft. So hatte er durchaus eine politische Vision: Nämlich ein demokratisches Gesamteuropa und eine welteinheitliche Friedensorganisation.

Gegen die vorgesehene Wiederbewaffnung und die atomare Aufrüstung eifert er mit allen Argumenten. Es müsse gelingen „die soziale Frage für alle Völker der Erde zu lösen und alle Völker der Erde von der Geißel der gegenseitigen Zerfleischung zu erlösen.“ Und er mahnt zur Verständigung auch mit der damaligen DDR und UdSSR.

Zwischen Ost und West herrscht der „Kalte Krieg“, in der die beiden deutschen Staaten eine Frontstellung einnehmen. So ist es nicht verwunderlich, dass Leo Weismantels Widerstand gegen die Atmosphäre eines hysterischen Antikommunismus in der damaligen breiten Öffentlichkeit ganz einfach auf Unverständnis stößt.
So beginnt für Leo Weismantel ein bitterer Weg. Er wird angefeindet und man beginnt, ihn zu isolieren. Sein Werk wird kaum noch beachtet, nur wenige Bücher erschienen.
1953 1953 nimmt er Kontakt zur DDR auf, und wird am 4. Juli 1954 Teilnehmer an einem gesamtdeutschen Dichtertreffen auf der Wartburg. Im gleichen Jahr nimmt er im November an der „Begegnung der Geistes-schaffenden für eine Verständigung der Deutschen untereinander“ in Ost-Berlin teil.
Die heimatliche Presse berichtet über die Teilnahme und mobilisiert antikommunistische Ressentiments in entsprechender Aufmachung gegen Weismantel.
1955 Leo Weismantel überträgt die Verlagsrechte an seinen Romanen dem Ost-Berliner Union Verlag und vermacht seinen literarischen Nachlass der Akademie der Künste der DDR.
Aug. 1956 Im August 1956 lädt man Leo Weismantel als „Persönlichkeit der Vätergeneration“ zum Mitglied des Internationalen Vorbereitenden Komitees der VI. Weltfestspiele der Jugend und Studenten für Frieden und Freundschaft, die im Juli/August 1957 in Moskau stattfinden, ein. Er übernimmt.
Aug. 1956 Leo Weismantel, jetzt 68jährig, siedelt von Obersinn nach Jugenheim über, wohin seine Tochter 1951 vom Pädagogischen Institut Fulda an das gleichnamige Institut in Darmstadt versetzt worden und nun dort Professorin für Werkerziehung ist.
Hier widmet er sich politischen Schriften zur Tagespolitik. Gleichzeitig bewirbt er sich 1956 – allerdings ohne Erfolg – um die Stelle eines Intendanten beim Bayerischen Rundfunk.
1957 Leo Weismantel nimmt trotz Warnungen der Behörden als Mitglied des vorbereitenden Komitees an den Weltfestspielen der Jugend in Moskau teil, der Aufschrei, vornehmlich in der katholischen Presse, ist besonders groß.

U.a. wird er als „kommunisten-hörig“ bezeichnet. Schließlich eröffnet die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe wegen der Moskaureise ein Verfahren gegen Leo Weismantel. Dabei sperrt man ihm zeitweise sogar sein Konto.

1958 Trotz alledem wird Leo Weismantel in Nürnberg die Willibald-Pirkheimer-Medaille verliehen. Auf der Heimfahrt von Nürnberg wird er bei einem Autounfall (mit einem amerikanischen Militärfahrzeug) schwer verletzt.
01.06.58 Nur teilweise genesen, kann er in Jugenheim seinen 70. Geburtstag feiern, eine Delegation aus Kommune und Vereinen reist von Obersinn nach Jugenheim um ihn zu beglückwünschen.
10.06.1963 Aus Anlass seines 75. Geburtstages erhält Leo Weismantel die Ehrendoktorwürde der Ostberliner Humboldt-Universität
30.08.1964 Leo Weismantel tritt zum letzten Mal in Obersinn, seinem Heimatort, auf. Er spricht an diesem Tag als Ehrengast im Rahmen der Einweihungsfeier des Denkmals der drei Jungfrauen an der Obersinner Reithbrücke und erzählt zum letzten Mal die Sage vom „Schloß in der Sünfte.“ Siehe auch: Das Schloß in der Sünfte
16.09.1964 Nur 17 Tage später verstirbt er in Rodalben in der Pfalz an einem Herzinfarkt. Er wird im Familiengrab auf dem Jugenheimer Friedhof beerdigt.

Das Familiengrab ist mittlerweile aufgelassen, ein Teil des Gedenksteins wurde in Jugenheim abgebaut und im Friedhof seines Geburtsortes Obersinn am höchsten Punkt an markanter Stelle aufgestellt.

19.07.2019 Am Dorfplatz in Obersinn, direkt neben Leo Weismantels Geburtshaus, wird das Leo-Weismantel-Haus, ein Museum mit Teilen seines persönlichen Nachlasses und seinem Schrifttum eröffnet.

 

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