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Die Geschichte des Grafengeschlechtes Nostitz-Rieneck (von Bruno Schneider)

Bruno Schneider, Kreisheimat- und Archivpfleger des Altlandkreises Gemünden hat zu diesem Geschlecht aufwändige und langwierige Recherchen angestellt, die ihn auch in Kontakt mit den Nachfahren brachten. Was die Rienecker über diese Bande mit Böhmen zu tun und dem tschechischen Nostic gemein haben, sei hier skizziert:

„Im Gerichtsbuch des Fellener Grundgerichts schließen die erlassenen Gebote und  Verbote für die Sonn- und Feiertage mit „Signatum, Prag den 27ten Aprill Anno 1770“ und „Franz Anton graf Von Nostitz und Rieneckh“. „Was hat Fellen mit Prag zu tun?“, wird wohl jeder verwundert fragen. Der Fellener Grund gehörte ehemals zum nördlichen Teil der Grafschaft Rieneck. Diesen erwarb das böhmische Adelsgeschlecht von Nostitz 1673 um ihren Einfluss auf die Reichspolitik zu verstärken. Schon vorher gab es Verbindungen an den Main.

1617 verkaufte  ein Graf Hugo von Nostitz seinen adelige Ansitz zu Laudenbach am Main an Christoph Wilhelm Voit von Rieneck.

Nur wenige Hinweise erinnern heute noch an die 136-jährige Herrschaft der Grafen von Nostitz im Sinngrund. Über dem Portal der Kirche von Schaippach und auf einigen Grenzsteinen im Wohnroder Wald ist das Familienwappen dieses ehemals bedeutenden böhmischen Adelsgeschlechtes aber noch zu sehen.

Wappen der Grafen von Nostitz-Rieneck über dem Portal der Kirche von Schaippach

Die von Nostitz waren ein altes ritterliches Adelsgeschlecht der Oberlausitz, das sich schon sehr früh nach Schlesien, Böhmen, Polen und weiter verbreitete. Beheimatet war es ursprünglich  im Dorf Nostitz, 24 Kilometer östlich von Bautzen, das auch Namensgeber des Geschlechtes war.

Ursprüngliches Wappen der Familie Nostitz

Friedrich von Nostitz, der zwischen dem 14. und 15. Jahrhundert lebte, lässt sich als erster namentlich nachweisen. Er hatte vier Söhne. Einer von ihnen war Heinrich, dessen Sohn Kaspar zum Stammsitz weiteres Vermögen hinzukaufte, Tschochau, Rottenburg und Gotta.[1]

Mit Kaspar von Nostitz, gestorben 1484, beginnt die ordentliche Stammreihe, dessen drei Söhne, Otto, Georg, und Hartwig die drei Linien zu Rothenburg (Rottenburg), Gotta und Zschochau (Tschochau) stifteten.

Aus der Rottenburger Linie stammt jener Otto von Nostitz, der 1622 das Falkenauer Herrschaftsgebiet erhielt. Er fügte die ehemaligen Elbogener Gutshöfe Kohling, Lobs, Ruditzgrün hinzu.

Heinrichsgrün um 1850

1627 kaufte er den Großbesitz Heinrichsgrün, ein Jahr später die Güter Schönlind, Groß-Tschochau (bei Aussig an der Elbe) und zwei Häuser in Prag auf der Kleinseite. 1629 erwarb er noch von Wilhelm Lobkoviz das Gut Hlinai.

Otto starb kinderlos und vererbte sein Vermögen seinem Neffen Johann Hartwig (1610-1683)

Wappen nach der Erhebung in den gräflichen Stand

Der böhmische gräfliche Zweig stammt aus der Zschochauer Linie. Der Urenkel von Hartwig, Johann von Nostitz hinterließ zwei Söhne Otto und Johann Hartwig.

Der Stifter der Linie Rieneck war Johann von Nostitzs zweiter Sohn Johann Hartwig (1610 bis 1683). Er war wirklicher Geheimrat und oberster Kanzler von Böhmen. 1631 erbte er von seinem Onkel Otto dessen Freiherrenstand, 1641 den böhmischen Grafenstand und 1651 den Reichgrafenstand.

Sein vollständiger Titel lautete Graf von Nostitz, Freiherr in Falkenau, in Heinrichsgrün, Saar, Tsthocha und Libniz, Packomirzshiz, Krasliz, Liebochowa und Tirmitz, Königlicher und Kaiserlicher Geheimer Rat und Oberstkanzler von Böhmen und Ritter des Ordens vom Goldenen Vließ.

Johann Hartwig Nostitz (1610 – 1683)

 

Herrschaft Falkenau

Burg und Herrschaft Falkenau (Sokolov) an der Eger wurde dem habsburgtreuen Otto Reichsfreiherrn von Nostitz 1622 durch die königliche Kammer verkauft. Zuvor besaßen die Grafen von Schlick die Herrschaft Falkenau. Diese verloren 1622 ihr Vermögen, nachdem Johann Albin aus dem Geschlecht der Schlick, der mit seinem Bruder Jachym Ondrej zu den Führern des böhmischen Ständeaufstandes gehörte, nach der Niederlage am Weißen Berg  im Jahre1621 ins Ausland geflohen und sein Bruder in Prag hingerichtet worden war.

1648 brannten die Schweden die Burg Falkenau nieder. Johann Hartwig von Nostitz, der Nachfolger und Neffe von Otto, ließ sie von 1659 bis 1663 zu einem bequemen Schloss im Stil der Spätrenaissance umbauen.

Falkenau (Sokolov) , Ende des 17. Jhd.

Johann Hartwig erweiterte den Besitz um Meschitz, Pakomeritz, Libeznitz, Libochowan, Groß Czernosek, Türmitz, Saar, Graslitz und Littmitz. Unter Franz Wenzel kamen im 18. Jahrhundert noch die besitztümer Perglas, Schaben, Steinbach, Mratin und Hrebecnik hinzu.

Die Falkenauer Linie unterhielt von 1847 bis 1866 den Gutshof Slabetz, von 1831 bis 1870 Stirin, 1834 bis 1870 Lojowitz, 1842 bis 1870 Großpopwitz und von 1802 bis 1927 Pruhinitz.

Durch Heirat erhielten sie 1890 das Herrschaftsgebiet Plan und Rokitnitz.

 

Grafschaft Rieneck

1673 wurde er mit einem Teil der Grafschaft Rieneck belehnt und erhielt vom Mainzer Erzbischof den Namenszusatz Rieneck.

Wappen nach dem Ankauf des nördlichen Teils der Grafschaft Rieneck

Am 6. Juli 1673 über nahm Johann Hartwig Graf von Nostitz-Rieneck durch seinen Abgeordneten Matthias Philipp Streit auf dem Rathause zu Rieneck die neue Herrschaft.

Pfarrer Bernhard Kallenbach schildert in seinen „Nachrichten über die Grafschaft und Pfarrei Rieneck“ 1857 die Übernahme:

„Am 10. Juli 1673 wurden auf dem Rathaus zu Rieneck die Unterthanen ihres Eides gegen Mainz feierlich entbunden und schworen den Treueid für den neuen Herrn. Dann ging man auf das Schloß, wo der mainzische Abgeordnete dem nostitzischen den Klopfhammer des Thores in die Hand gab, auch im Schloßsaale links des Eingangs von einer in der Mitte stehenden Säule einen Splitter herausschnitt und an Nostitz zum Zeichen des Eigenthumshinweis übergab.

Am 11. Juli 1673 wurde der Hof Hohenrod übergeben, durch Überreichung der Thürklinke und einer Erdscholle und durch Augenschein von der Umgebung Besitz genommen.

Von da aus begab man sich in die Stadt, wo durch Berührung des Thorhammers und des Halseisens am Rathaus die Gerichtsbarkeit übergeben wurde. Endlich reichte der mainzische dem nostitzischen Beamten die Kirchenschlüssel, die letzterer dem Pfarrer Kappenberg übergab, wodurch die Besitznahme des Patronatsrechtes angedeutet wurde.“

Als er 1683 starb kamen seine beiden Söhne Anton Johann und Wenzel Desiderius am 9. Juli 1684 nach Rieneck. Anton Johann war Burggraf von Eger und Marschall von Böhmen.

Anton Johann erhielt die Grafschaft und nahm am 11. Juli die Erb-Huldigungen auf dem Rathaus entgegen. Johann war mit Marie Therese, eine Gräfin von Herberstein, verheiratet. Sie hatten nur einen Sohn, Karl Josef, der jung und kinderlos starb.

Nach seinem Tode 1736 trat sein Neffe Franz Wenzel, der Sohn von Wenzel Desiderius, 1737 in den Besitz der Herrschaft.

Mit Katharina Elisabeth von Schönborn hatte er zwei Söhne Franz Anton von Nostitz-Rieneck (1725-1794) und Friedrich Moritz Graf von Nostizz- Rieneck (1728-1796). Franz Wenzel starb 1765 in Prag.

Franz Wenzel (1697 – 1765)

Franz Anton wurde wohl zum bekanntesten und bedeutendsten Familienmitglied. Er wurde am 17.5.1725 in Mesice bei Prag geboren. Er erhielt eine juristische Ausbildung und übte ab 1780 bedeutende Funktionen aus. So war er als Burggraf von Eger der am höchsten stehende Burggraf des böhmischen Königreiches. 1767 erbaute er in Mesice das klassizistische Rokokoschloss für 200 000 Goldtaler. 1794 starb er in Mesice.

Franz Anton (1725 – 1794)

Friedrich Johann Chrysoganus (1762 – 1819), einer seiner Söhne, beerbte Franz Anton[2] und seinen Onkel Friedrich, der das Herrschaftsgebiet Saar besaß. Sein Bruder Johann Nepomuk (1768-1840) wurde zum Begründer der jüngeren Stammeslinie, die 1929 ausstarb.

 

Kauf des erbachischen Besitzes Wohnroth

1679 kommen die Verhandlungen über den Erwerb der Erbach’schen Besitzungen in der Grafschaft zum Abschluss. Graf Georg Ludwig zu Erbach verkaufte das Dorf und Gut Wohnroth nebst Zugehörung (Heselbronner Markung) an Johann Hartwig Grafen von Nostiz und Rieneck. Ein Teil  des Kaufschillings wurde seitens der Kottwitz von Aulenbach wegen einer Schuldforderung an den Grafen von Erbach sofort beschlagnahmt.

1700 veräußert der Graf einen Hof, eine Schäferei, sowie Gefälle zu Fellen und Rengersbrunn gegen Wiederkauf an das Hochstift Würzburg. Unbekannt ist, wann diese Besitzteile wieder zurückgekauft wurden.

 

Verkauf der Grafschaft Rieneck an den Fürstprimas Karl von Dalberg

1807 wurde die Herrschaft bei Auflösung des deutschen Reiches mediatisiert und kam als Amtsvogtei unter die Landeshoheit des Fürsten und Primas Karl von Dalberg, der 1808 auch die grundherrlichen Gefälle und Besitzungen abkaufte, bis auf die Orte links der Saale.

Friedrich von Nostitz-Rieneck verkaufte am 20. März 1809 an den Fürst Primas der Rhein Confederation das bisherige Mannlehen nach dem Kaufbriefe vom 14. März 1673, dem jenen beigelegten Jurisdiktionalbuchextracte vom Jahr 1640 und den bisherigen Lehenbriefen und sämtliche ankaufte Allodien an Gütern, Rechten und Gefällen.

Friedrich Chrysostomus (1762-1819)

Die Orte links der Saale kamen zu Würzburg. Von 1810 bis 1814 wurde unter napoleonischer Herrschaft die Amtsvogtei in Distriktsmaire umgetauft, deren Vorstand in Burgjoß wohnte und zu den Amtstagen in Rieneck erschien. Am 26. Juni 1814 fiel die Herrschaft Rieneck mit Ausnahme der Teile der Grafschaft Hanau an den Bayerischen Staat.

 

1945 wurde die Familie aus Böhmen vertrieben

Erwein Maria (1806-1872) erbte von seinem Vater Friedrich Johann Chrysoganus Falkenau, Heinrichgrün, Graslitz und Meschitz, Hugo Maria Hrebenick. Friedrich Maria (1835-1866), einer der Söhne von Erwein Maria, trat dessen Nachfolge an.

Erwein Maria von Nostitz-Rieneck (1806-1872)

Aus der Ehe mit Theresia Gräfin von Thun-Hohenstein stammen zwei Söhne, Erwein und Leopold. Erwein Felix Maria (1863-1931) führte die Familientradition fort.

Dieser hatte wiederum zwei Söhne Friedrich Leopold (1893-1973) und Erwein Leopold Maria (1898-1952).

Erwein Leopold Maria erbte Meschitz und Pakomeritz. Er war der letzte Besitzer des Herrschaftsgutes Mesice. 1945 wurde das gesamte Vermögen auf Grund der deutschen Staatsbürgerschaft eingezogen. Die Familie musste nach Österreich auswandern.

Nach über 300 Jahren endete das Wirken der von Nostitz-Rieneck in Mesice. Zwar sank das Ansehen durch die Stellung der Grafen in der Besatzungszeit, was durch den allgemeinen Hass der Kommunisten gegenüber dem Adel noch verstärkt wurde. Doch in der historischen Betrachtung stellt sich heraus, dass sie sich um die tschechische Nation sehr verdient gemacht hatten. Dass sie wie Tschechen fühlten und dachten, beweist die Beziehung zu Josef Dobrovský, der bei ihnen in Prag und Mesice als Erzieher wirkte. Auch setzte sich Erwein Maria Alexius Graf von Nostitz-Rieneck 1912, in dieser Zeit alles andere als selbstverständlich,  für die Einführung der tschechischen Sprache als Amtssprache ein.

Er starb 1952 in Wien.

Diesen Zweig der Familie führte der 1937 in Prag geborene Graf Martin Karl Friedrich Kasimir von Nostitz-Rieneck vor. Er verstarb 2005 ohne Nachkommen.

Das übrige Vermögen erhielt der ältere Sohn, Friedrich Leopold. Ihm folgte Alois Karl Josef Maria (1925-2003), weil dessen Brüder im Krieg gefallen waren. Aus der Ehe mit Theresia Gräfin zu Waldburg Zeil und Trachburg stammen die beiden Söhne Friedrich Erich (1963) und Franz Erwein (1970) und die Töchter Monika Maria (1965) und Sophie-Bernadette (1967).“

 

Quellen:

StaWü Z 60

Dr. Michael Wieland: Beiträge zur Geschichte der Grafen, Grafschaft, Burg und Stadt Rieneck, Archiv des historischen Vereins für Unterfranken und Aschaffenburg, Bd. XX H.1 S, S. 183 ff, 1870

Brockhaus Konversationslexikon, Bd. 12, Seite 454, Leipzig 1895

Vladimir Novák: Das Geschecht Nostic, Mesice 2005

Museum Sokolov: Nostitz, Sokolov 2007

 

 

Aus dem Gemündener Anzeiger, 10. November 1931

Rieneck

In Wien ist der Graf Erwein von Nostitz-Rieneck, der Chef der besonders in der Tschechoslowakei begüterten Adelsfamilie, ehemals Mitglied des Österreichischen Herrenhauses und Präsident des Verbandes Deutscher Großgrundbesitzer in Böhmen, im Alter von 60 Jahren einem Schlaganfall erlegen. Der Graf hatte eine Gräfin Postatzky-Liechtenstein zur Frau, die ihm zwei Söhne und zwei Töchter gebar. Der eine Sohn hat eine Tochter des 1914 ermordeten österreichischen Thronfolgers zur Gattin. Im Jahre 1673 hatte der Mainzer Kurfürst die Herrschaft Rieneck (bei Gemünden) an die böhmische Grafenfamilie Nostitz verkauft. Die Nostitzer regierten bis 1806 als mainzische Vögte.

 

Anmerkungen von Bruno Schneider:

[1] Museum Sokolov: Nostitz, S. 9, Sokolov 2007

[2] Wieland schreibt in seiner Veröffentlichung: „Nach seinem Tode trat sein Neffe Franz Wenzel 1737 in den Besitz der Herrschaft. 1765 folgte Friedrich Johann Nepomuk von Nostitz und nach diesem Anton Johann der bis 1807 regierte.“ Diese Erbfolge lässt sich an Hand der zur Verfügung stehenden Stammbäume nicht nachvollziehen.

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