Seit Menschengedenken ist es in Obersinn Brauch eine Woche vor dem Hochzeitstermin, in der Nacht von Samstag auf Sonntag, zu Ehren der einheimischen Brautpaare zu „stützeln“.
Hierbei tragen die Freunde des Hochzeitspaares aus dem ganzen Dorf Gegenstände ans Rathaus in der Ortsmitte. Das sind all die Dinge, die nicht fest mit dem Haus oder dem Boden verbunden sind und die ohne Schaden anzurichten weggebracht werden können.
So findet man dann am Sonntagmorgen auf dem Obersinner Rathausplatz Gartentürchen und -tore, Zaunelemente, Blumenkübel in allen Größen, alte, zur Gartenwässerung genutzte Badewannen, ganze Sitzgruppen, Schubkarren, Fahrzeuganhänger (die werden natürlich benutzt um die Sachen zu transportieren), Monategerüste, Leitern, Müllcontainer und andere Dinge. Auch Motorboote hatten hier über Nacht schon einen anderen Liegeplatz gefunden.
Die Eigentümer der Sachen müssen diese natürlich selbst am Rathausplatz abholen um heimtransportieren, so weiß auch der letzte im Ort, dass am kommenden Wochenende eine Hochzeit in Obersinn ansteht.
Es ist überliefert, dass in den 1950er Jahren die jungen Leute bei ihrer nächtlichen Stützelaktion einen älteren Dorfbewohner beobachteten, der nach Mitternacht sein Plumpsklo aufsuchte. Flugs blockierten sie die Tür zum Klo, organisierten Hammer und Nägel und zwei längere Holzstangen. Sie nagelten die Klotüre zu, brachten links und rechts des Plumpskloos die zwei Stangen an und trugen den „armen“ Mann wie in einer Sänfte zum Rathausplatz.
Dort angekommen sagte der Mann: „Sou iewhr Buawe, äetz hobbt iehr miehch dou haargedraah, äetz köönd iehr miech aach wieder hämm gedrooch.“ Auf Hochdeutsch: „So ihr Buben, jetzt habt ihr mich da her getragen, jetzt könnt ihr mich auch wieder heimtragen.“ Die „Stützler“ kamen dieser Aufforderung natürlich nicht nach. So wurde der alte Mann erst am Sonntagmorgen von Kirchgängern, die dessen Hilferufe hörten, aus seinem kleinen Gefängnis befreit.