Der Eisenbahnersportverein Rot-Weiß Aschaffenburg wurde 1931 gegründet und hätte 2021 sein 90jähriges Jubiläum gefeiert. Tatsächlich hat sich der Verein 2007 aufgelöst, die verschiedenen Abteilungen Fußball, Tennis, Kegel und Turnen haben ihre Aktivitäten eingestellt, die Tischtennisabteilung hat sich einem anderen Verein angeschlossen. Das Sportgelände an der Goldbacher Straße gehörte zum Eisenbahnvermögen und wurden bereits vor 2007 an einen Investor verkauft. Es gibt aber noch mehr als ein Dutzend Sportkameraden aus der Fußballabteilung, die sich regelmäßig treffen. Dies mag auch in den anderen Abteilungen so sein. Gemeinsam Sport zu treiben verbindet offenbar, vielleicht nur locker, aber auf jeden Fall über die sportlichen Aktivitäten hinaus.
Der Aufsatz des Sporthistorikers Andreas Luh „Eisenbahnersport in Deutschland als betriebliche Sozialpolitik von der Weimarer Zeit bis in die Gegenwart“[1] weckte das Interesse diesen Zeitraum anhand eines konkreten Sportvereins nachzuvollziehen, in dem der Schreiber dieses Beitrags selbst sportlich aktiv war, zu dem er gute und emotionale Erinnerungen hatte und in dem er noch Sportfreunde kannte, die einen Großteil dieser Zeit miterlebt hatten. Dieser Beitrag stützt sich auf das Jubiläumsheft, das der Eisenbahnersportverein im Mai 1961 zur Begleitung seiner Sportwerbewoche herausgab[2].
Wie die vielen Verflechtungen, die gegenseitigen Unterstützungen zwischen den Sportvereinen, die Bedeutung der Eisenbahn in Aschaffenburg, die Beteiligungen an allen Sportereignissen wie Stadtmeisterschaften oder ähnliches, die gute Jugendarbeit und die Einbindung in kommunale Aktivitäten wie Faschingszüge oder Sportlerehrungen belegen, hatten die Eisenbahner ein gutes Standing im Sport in der Stadt Aschaffenburg. Der Verein galt als solide, mit einem personellen Hintergrund bei den Beschäftigten der Eisenbahn, regional besonders verankert in der Österreicher Kolonie, in der die Eisenbahn auch Betriebswohnungen zu Verfügung gestellt hatte. Er war ordentlich geführt, ohne Skandale, mit ehrbaren Personen an der Spitze und mit immer wieder guten Sportlern, die auch zu höherklassigen Vereinen wechselten. Gleichzeitig brachte das bahneigene Sportgelände kaum Belastungen für die Kommune.
„Eisenbahner besaßen traditionell ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl, lebten vielfach in gemeinsamen Wohnsiedlungen und teilten bereits etliche Freizeitaktivitäten.“ Seit den 1880er Jahren entstand eine große Zahl von Eisenbahnervereinen mit berufsständischem Selbstverständnis, die ihren Mitgliedern vor dem Hintergrund sinkender Arbeitszeiten neben sozialfürsorglich-caritativen Leistungen auch Angebote zur gemeinsamen Freizeitgestaltung machten.“[3]
Es gründeten sich zwar viele Eisenbahner-Turnvereine, so auch Gemünden 1893, aber „erst seit 1920 kann man von einer organisatorisch vielgestaltigen und behördlich geförderten Eisenbahner-Sportbewegung sprechen, in der Zehntausende staatlich Bediensteter aktiv waren.“[4]
In der Jubiläumsbroschüre werden die ersten 30 Jahre des Vereinslebens des Eisenbahnersportvereins in Aschaffenburg beschrieben: die Gründungsmitglieder, die Entstehung der Abteilungen vom Schwimmen bis zum Schießsport, die Probleme mit der Namensgebung, sowie die sportlichen Erfolge.
Aber lesen Sie selbst!
[1] Luh, Andreas. „Eisenbahnersport in Deutschland als Bestandteil betrieblicher Sozialpolitik und Teil der deutschen Sportbewegung von der Weimarer Zeit bis in die Gegenwart.“ Stadion 40.2014, 2 (2015): S. 221-248.
[2] Jubiläums-Sportwoche – Samstag, den 27. Mai bis Samstag, den 3. Juni 1961, 30 Jahre – Sportverein „Rot-Weiß“ Aschaffenburg Eisenbahnersportverein 1931 e.V, (Archiv Dieter Bischoff).
[3] Luh Andreas, S. 221.
[4] Luh Andreas, S. 222.
Eine kleine Hilfestellung: der erste Name war 1931 „Reichsbahn Turn- und Sportverein Aschaffenburg“.
nach 1945 nannte sich der Eisenbahnersportverein „Allgemeiner Sportverein“, weil der Landessportverband sogenannte Behördensportvereine nicht förderte
1951 wurde bei der Jahreshauptversammlung beschlossen, den Verein in „SV Rot-Weiß ESV 1931 e.V.“ umzubenennen, wobei das ESV die Abkürzung für Einheitssportverein war, die Mitglieder diesen Namen als Eisenbahnersportverein verstanden.
Nachdem 1957 der BLSV auch die Eisenbahnersportvereine als „normale“ Sportvereine anerkannte, wurde auf der Jahreshauptversammlung eine letztmalige Namensänderung in „SV Rot-Weiß Aschaffenburg Eisenbahnersportverein 1931 e.V.“ beschlossen.