Im Jahre 1816, zwei Jahre nach dem Übergang des Großherzogtums Frankfurt an das Königreich Bayern, besuchten der bayerische Kronprinz Ludwig und seine Ehefrau Therese erstmals Aschaffenburg. Es sollte der Anfang einer Reihe von Besuchen sein, die sich fest in das Gedächtnis der Aschaffenburger einprägen sollten. Der Ankunftstag war der 1. Mai 1816. Abgeholt wurde das Ehepaar an der ehemaligen Grenze des Fürstentums Aschaffenburg. Der Präfekt Ritter von Will und der provisorische Kreiskommandant der Landwehr, Oberst Graf von Herzan, erwarteten das Kronprinzenpaar. Dann kamen sechs Orte, in denen die Landwehr eine Parade aufführte: Triefenstein, Esselbach, Rohrbrunn, Hessenthal, Bessenbach und Aschaffenburg.
In Aschaffenburg selbst wurde das Paar mit einer Ehrenpforte (geschmückter Torbogen) empfangen. Beim Durchfahren der Stadt läuteten alle Glocken und Kanonen schossen Salut. Im Schloss Johannisburg, wo Ludwig mit seiner Familie wohnte, wurde die Familie von 40 in weiß und blau gekleideten Mädchen blumenstreuend empfangen. Am zweiten Tag wurden dem Kronprinzenpaar die Geistlichkeit und das Offizierskorps vorgestellt. Abends besuchten sie eine Aufführung des Stücks „Armida und Rinaldo“. Anschließend war die ganze Stadt zu Ehren des Kronprinzenpaars beleuchtet.
Zum Fest der Casino-Gesellschaft am 11. oder 12. Mai waren insgesamt 2000 Personen zu Gast. Der Kronprinz und die Kronprinzessin „tanzten persönlich unter der frohen Menge“. Der leutselige und volksnahe Ludwig nutzte seinen Aufenthalt auch für Besuche seiner Verwandten in Darmstadt und zu weiteren Unternehmungen:
Am 12. Mai fuhr die Kronprinzenfamilie nach Darmstadt zu ihren Verwandten: Der Großherzog von Hessen-Darmstadt, Ludwig I. (1753-1830), war der Cousin von Auguste Wilhelmine von Hessen-Darmstadt (1765-1796), der Mutter unseres späteren bayerischen Königs Ludwig I.
Am 30. Mai besuchten sie die Schwester von Therese: Luise, Herzogin von Nassau (1794-1825), war seit 1813 mit Herzog Wilhelm von Nassau (1792-1839) verheiratet. Beide Schwestern entstammten der Dynastie Sachsen-Hildburghausen.
Am selben Tag besuchte die Großherzogin Luise von Hessen (1761-1829) mit ihrem Sohn Emil (1790-1856) Aschaffenburg, „nach der Tafel“ reisten sie wieder zurück nach Darmstadt.
Am 31. Mai fuhr Prinz Ludwig nach Wilhelmsbad, um dem Kurfürsten von Hessen, Ludwig I. (1743-1821), einen Besuch abzustatten.
Am 11. Juni trafen Erbgroßherzog Ludwig (der spätere Großherzog Ludwig II. von Hessen und bei Rhein, 1777-1848) und Frau Erbgroßherzogin von Hessen (Wilhelmine von Baden, 1788-1836) zu einem Besuch ein.
Am 23. Juni traf Prinz Carl (Karl, 1795-1875), ein Bruder des bayerischen Kronprinzen, überraschend ein. Gemeinsam sahen sie sich das Schauspiel Hugo Grotius an. Am 27. Juni reiste Prinz Carl „nach dem linken Rheinufer“ ab, zuvor besuchte er Hanau und ließ sich die Schlachtfelder von 1813 vor der Stadt zeigen.
Am 25. Juni trafen die Eltern von Therese, Friedrich von Sachsen-Hildburghausen (1763-1834) und seine Ehefrau Charlotte (1769-1818) und einer ihrer Brüder (= Joseph) in Aschaffenburg ein.
Am 7. Juli führte der Erbprinz von Sachsen-Hildburghausen – Joseph, der spätere Herzog von Sachsen-Altenburg (1789-1868) – mit mehreren hiesigen Adeligen im großen, besonders schön dekorierten Saal im Schönbusch eine theatralische Vorstellung auf, die Tafel war mit mehr als 100 Couverts gedeckt. Darauf folgte ein Maskenball, der bis 5 Uhr morgens dauerte.
Am 10. Juli meldete die Zeitung, dass der Kronprinz nach Baaden (Baden-Baden?) abgereist ist. Dort scheint er längere Zeit geblieben zu sein, in den folgenden sechs Wochen wurde nichts über Kronprinz Ludwig berichtet. Lediglich die Kronprinzessin (Therese) stattet der Stadt Hanau wieder einen Besuch ab.
Für den 24. August, dem Vorabend seines Geburts- und Namensfestes, besuchte das Kronprinzenpaar das Schauspielhaus (Theater) und am 25. August initiierten die Landwehr-Bataillone ein großes Feuerwerk. Es stellte einen reichbeleuchteten Tempel im dorischen Stil dar. Viele Schiffe auf dem Main waren ebenfalls beleuchtet, das Schiff in der Mitte trug ein Transparent mit den Namen „Ludwig und Therese“. Die Abreise erfolgte am 1. September 1816.
Dieser Besuch war der Auftakt einer ganzen Reihe von Besuchen König Ludwigs in Aschaffenburg zwischen 1816 und 1866. Hier fühlte er sich frei von höfischer Etikette. Jahre später schrieb er ein Gedicht über Aschaffenburg, das mit den Zeilen beginnt: „Fühle mich heimisch bei dir, obwohl du nicht Heimath mir warest“.
Quellen:
Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Aschaffenburger Zeitung 1816, Nr. 45 (21. Februar), S. 3; Nr. 103 (29. April), S. 4; Nr. 106 (2. Mai), S. 1-2; Nr. 107 (3. Mai), S. 1-2; Nr. 109 (6. Mai), S. 3-4; Nr. 110 (7. Mai), S. 2; Nr. 115 (13. Mai), S. 2-3; Nr. 118 (16. Mai), S. 2-3; Nr. 130 (30. Mai), S. 2; Nr. 131 (31. Mai), S. 3-4; Nr. 141 (12. Juni), S. 3; Nr. 151 (24. Juni), S. 3; Nr. 153 (26. Juni), S. 3; Nr. 156 (29. Juni), S. 1-2; Nr. 163 (8. Juli), S. 3; Nr. 165 (10. Juli), S. 3; Nr. 201 (21. August), S. 2 und Nr. 207 (28. August), S. 1.
Werner Krämer: König Ludwig von Bayern – Freund und Förderer Aschaffenburgs, in: Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg 2 (1987-1989), S. 18-23, URL:
Begleitheft zur Ausstellung „Fühle mich heimisch bei dir …. König Ludwig I. und Aschaffenburg“ von 31. Oktober bis 30. November 1986 im Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Aschaffenburg 1986.
Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_I._(Bayern)
https://de.wikipedia.org/wiki/Therese_von_Sachsen-Hildburghausen
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_(Sachsen-Altenburg)
https://de.wikipedia.org/wiki/Auguste_Wilhelmine_von_Hessen-Darmstadt
https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_I._(Hessen-Darmstadt)
https://de.wikipedia.org/wiki/Luise_von_Sachsen-Hildburghausen
Bilder:
Ludwig: Gemälde von Franz Seraph Hanfstaengl: Eigener Scan, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3182233
Therese: Gemälde von Karl Joseph Stieler, um 1810: Eigener Scan, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4736732