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Kaufhaus Löwenthal

Autorin: Jana Brendler

Text von Dr. Lothar Blatt und Anni Kropf

Anlass für die Beschäftigung mit der Historie des Kaufhauses Löwenthal

Im August 2010 wurde die damalige Staatliche Realschule für Mädchen nach der international renommierten Friedensaktivistin und Schriftstellerin Ruth Weiss geb. Löwenthal (* 1924) benannt. Ihr Vater kommt aus der Familie, denen das frühere Kaufhaus Löwenthal in der Aschaffenburger Herstallstraße 17 gehörte.

Die Laudatio bei der Namensgebungsfeier der „Ruth-Weiss-Realschule“ hielt Denis Goldberg (1933-2020), der südafrikanische Kampfgefährte Nelson Mandelas (1918-2013).

Ehrengast bei der Namensgebungsfeier war auch Uzi Löwenthal aus Israel, der Urenkel Mathias Löwenthals.

Nach der Fusionierung im August 2016 mit der Staatlichen Realschule für Knaben erhielt die gemeinsame Schule den Namen „Ruth-Weiss-Realschule“.

Ruth Weiss war auch mehrfach Ehrengast auf dem Aschaffenburger Fest „Brüderschaft der Völker“.

2020 wurde die „Ruth-Weiss-Gesellschaft e. V.“  gegründet.

 

Bücher von Ruth Weiss geb. Löwenthal

  • Meine Schwester Sara
  • Wege im harten Gras – Autobiographie
  • „Die Löws“ –  siebenteilige Familiensaga
  • Der spitze Hut
  • Mitzis Hochzeit
  • Der jüdische Kreuzfahrer

 

Geschichte des Aschaffenburger Kaufhauses Löwenthal

1913 baute Mathias Löwenthal das damals größte und modernste Kaufhaus der Stadt, in dem seinerzeit modernen Jugendstil. Architekt war Regierungsbaumeister Fritz Nathan, Architekt BDA, aus Frankfurt a. M.

Mathias Löwenthal plante eine Expansion und erwarb weitere Nachbargrundstücke in der Herstallstraße, Treibgasse und Nebensteingasse.

Das alte 1000 Quadratmeter umfassende Gebäude wurde 1929/30 abgerissen und durch einen Neubau im Bauhausstil ersetzt.

Im 1996 erschienenen „Aschaffenburger Häuserbuch IV“ von Alois Grimm (1918-1995) sind alle beteiligten Planer und Handwerker aufgeführt (Grimm 1996, S. 41ff.). Die Eröffnung fand am 2. Dezember „mittags ½ 3“ statt (Ebda. S. 42).

In vier Stockwerken wurden im Kaufhaus Löwenthal u. a. Damen- und Herrenkonfektion, Teppiche, ebenso Weiß- und Wollwaren sowie Wäsche, Trikotagen und Stoffe angeboten (Ebda. S. 38). Es gab auch Anprobierräume, eine Änderungsschneiderei und Putzmacherinnen.

Viele empfanden den Stahlbetonbau als störend und er wurde sogar als „artfremd“ bezeichnet (Ebda. S. 44).

Der „Bund Deutscher Architekten, Ortsgruppe Unterfranken“ schrieb 1933 an den Stadtrat Aschaffenburgs: „Ein öffentlicher Skandal ist die verheerende städtebauliche Entwicklung des Kaufhauses Löwenthal, das das schöne Bild Aschaffenburgs einfach totschlägt, durch einen Judenarchitekten in brutalster Weise in das alte Stadtbild hineingehauen wurde, ohne Widerstand bei den hierfür verantwortlichen städtischen Referenten zu finden, Luft u. Licht der ganzen Straße absperrend. Dasselbe dem Abbruch unterstellt werden. Genauso skandalös ist es, wie sich Schund […]“

Nach der Machtübernahme 1933 durch die Nationalsozialisten musste Mathias Löwenthal sein Kaufhaus aufgeben. Denn auch er wurde durch die Kampagne „Kauft nicht bei Juden“ in den wirtschaftlichen Ruin getrieben. Das Kaufhaus wurde 1940 zwangsversteigert.

Nachfolge-Nutzungen des ehemaligen Kaufhauses Löwenthal

Im oben genannten Band IV des „Aschaffenburger Häuserbuches“ von Alois Grimm ist zu lesen, dass am 18. September 1940 das dem „ausgewanderten Juden Mathias Löwenthal“ gehörende Kaufhaus zwangsversteigert wurde (Ebda. S. 42). Es ging 1941 in den Besitz der Firma Hans Franz Winkelmann über, die das Kaufhaus weiterführte.

Das Gebäude wurde 1945 stark zerstört. Der Wiederaufbau der Ruine begann 1946 in zwei Bauabschnitten. Die Leitung hatte der Architekt Karl Jung.

Im ersten Bauabschnitt wurde zwischen 1947 und 1949 zunächst das Gebäude zur Treibgasse errichtet, dann von 1954 bis 1955 das Gelände des alten Hauses neu bebaut. Das Kaufhaus erhielt eine moderne Fassade und es wurde eine neue Innentreppe eingebaut.

1964 wurde die Kaufhof AG Köln Eigentümerin des Gebäudes. 1974 zog der „Kaufhof“ in das neu gebaute Aschaffenburger Einkaufszentrum City Galerie.

Die Stadt Aschaffenburg erwarb 1974 das leerstehende Gebäude. Während der Umbauarbeiten zwischen 1975 und 76 waren Ladenflächen im Unter- und Erdgeschoss vermietet an die Buchhandlung Bernhard Pattloch (1940-2014) und an die Norma-Lebensmittelgesellschaft Fürth.

Ab November 1976 bis 1992 war dort die Stadtbibliothek untergebracht.

Nach dem Umzug der Stadtbibliothek 1992 in ihren Neubau neben dem Schloss Johannisburg wurde das Gebäude an das Bekleidungsunternehmen Peek & Cloppenburg Düsseldorf verkauft. Das Denkmalpflegeamt gestattete den Abriss und den Neubau eines neuen Kaufhauses im Jahr 1994, da die Merkmale des Baustils durch Einwirkungen des 2. Weltkrieges und den Wiederaufbau verloren gegangen waren. Das Kaufhaus P & C besteht noch heute an dieser Stelle.

Familien-Geschichte der Besitzer des Kaufhauses Löwenthal

Aschaffenburg

Am 29. 10. 1903 zogen Mathias Löwenthal und seine Ehefrau nach Aschaffenburg.

Er wurde am 1. Juni 1867 in Hörstein [heute Stadtteil von Alzenau im Landkreis Aschaffenburg] geboren. Seine Eltern waren Josef Mathias Löwenthal und seine Ehefrau Hannchen.

Verheiratet war Mathias Löwenthal mit Berta Wetzler, die am 23. Dezember 1870 in Kleinheubach (Landkreis Miltenberg) geboren wurde.

Am 16. August 1894 erblickte in Hörstein (damals Landkreis Alzenau) der gemeinsame Sohn Ludwig Löwenthal das Licht der Welt.

Ludwig war mit der am 9. Juni 1901 geborenen Erna Beate Wolff aus Griesheim (Hessen) verheiratet. Das Paar hatte zwei Kinder.

Am 5. August 1922 wurde in Aschaffenburg die Tochter Ruth (nicht Ruth Weiss, sondern ihre Großcousine) geboren. Als Jüdin besuchte sie die Maria-Ward-Schule.

Am 23. Juli 1925 kam Sohn Joachim Löwenthal in Aschaffenburg zur Welt.

Nachbarn der Familie Löwenthal in der Cunibertstraße 10 war die Familie Stürmer. Jugendfreunde der Kinder waren u. a. Irmgard Stürmer (* 1926), die später Alfred Eberth heiratete. Überregional bekannt ist sie u. a. als Aschaffenburger Mundartdichterin Irmes Eberth.

Bei einem Besuch Joachim Löwenthals in Aschaffenburg trafen sich die Jugendfreunde.

Südafrika

1933 emigrierte der Bruder Mathias Löwenthals und Vater Ruth Weiss‘ nach Südafrika. 1936 folgten ihm seine Ehefrau und die beiden Töchter Margot und Ruth, die 2010 Namensgeberin der Aschaffenburger „Ruth-Weiss-Realschule“ wurde.

Am 25. Mai 1935 emigrierten Berta und Mathias Löwenthal nach Südafrika. Der Sohn Ludwig folgten ihnen mit seiner Ehefrau und den Kindern am 22. Januar 1937.

Mathias Löwenthal starb am 15. August 1938 in Johannesburg.

Am 30. April 1977 starb dort auch der Sohn Ludwig Löwenthal.

Weitere Informationen zu jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Aschaffenburg sind dem Archiv „Jüdisches Unterfranken“ zu entnehmen.

Im Zuge eines Interviews äußerte sich Ruth Weiss zu der Bodenaufklebersetzung. Ihre Antwort auf die Frage nach ihrer Meinung kann man hier sehen.

 

Literatur:

Alois Grimm: Aschaffenburger Häuserbuch IV. Herstallstraße mit Entengasse, Landingstraße mit Marktplatz, Steingasse mit Nebensteingasse und Friedrichstraße (Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstverein Aschaffenburg 43), Aschaffenburg 1996.

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