Im Jahr 2021 besteht die deutsch-italienische Familienfreundschaft der italienischen Familie Mariucci und der deutschen Familie Syndikus aus Aschaffenburg schon seit 60 Jahren.
In der Kleiderfabrik Acker&Hartung in der Maximilianstraße fing alles an. 1961 kam der damals 22-jährige Guiseppe Mariucci aus Badia Petroia in Umbrien nach Aschaffenburg und begann in der Kleiderfabrik zu arbeiten. Aschaffenburg zählte damals zu einer der führenden Städte der Textilindustrie in Deutschland, neue Arbeitskräfte waren hier immer willkommen.
Im ersten Urlaub in der Heimat Italien heiratete Guiseppe im Juli 1961 Anna Gabbolini. Beide kehrten kurze Zeit später nach Aschaffenburg zurück und lebten in einer kleinen Wohnung in Damm, wobei beiden das Ankommen in dem fremden Land zunächst schwerfiel.
Auch Anna begann in der Kleiderfabrik zu arbeiten. Mit ihr war die damals 15-jährige Gudrun Pfannmüller aus Kleinostheim bei Acker&Hartung angestellt.
Die beiden Frauen freundeten sich schnell an, Gudrun half Anna Deutsch zu lernen, während Anna Gudrun die italienische Sprache beibrachte. Eine Blinddarmentzündung Annas, kurz nach der Ankunft in Aschaffenburg, sollte die Freundschaft, nicht nur der beiden Frauen, sondern der Familien Mariucci und Pfannmüller, stärken. Während Anna in der Hofgarten-Klinik behandelt wurde, besuchte Gudrun sie fast täglich nach der Arbeit, vormittags war Gudruns Mutter bei Anna im Krankenhaus. Von nun an gehörten die Familien zusammen. Regelmäßige Treffen und Einladungen zu Festen folgten und die deutsch-italienische Freundschaft hatte ihren Anfang gefunden.
Im Juni 1963 wurde Ivano, der Sohn von Anna und Guiseppe, geboren. Gudrun und ihr Vater Hugo nahmen an der Taufe in Italien teil. Zuvor hatten sie vier Wochen in Italien verbracht, die Familien von Anna und Guiseppe besucht und verschiedene Ausflüge an der Adria und nach Rimini unternommen.
In Aschaffenburg lernte Gudrun 1963 ihren zukünftigen Mann, Rainer Syndikus, kennen. Zwei Jahre später wurde geheiratet und schon bald kamen die gemeinsamen Kinder zur Welt. Eine Reise nach Italien rückte erstmal in weite Ferne. Ein Stückchen Italien konnte man währenddessen im „Centro Italiano“ finden, ein Treffpunkt der Italiener in Aschaffenburg, dessen Bewirtschaftung Anna und Guiseppe übernahmen.
1969 kehrte die Familie Mariucci nach Italien zurück. Die mittlerweile liebgewonnene Heimat Aschaffenburg verließen sie keineswegs leichtherzig. Die Sprache, das Essen und Freunde – viel neues hatten die Mariuccis in den Jahren in Aschaffenburg kennengelernt und liebgewonnen. Doch Ivano sollte nun in Italien die Schule besuchen und auch Annas Vater benötigte nach dem Tod seiner Frau die Hilfe seiner Tochter.
Doch der Kontakt zwischen den Familien blieb bestehen. So besuchten 1976 und 1978 Gudruns Geschwister mit ihren Familien die Mariuccis in Badia Petroia. Schließlich besuchten auch Gudrun, Rainer und ihre Kinder 1980 die Familie Mariucci. Gastfreundschaft, Herzlichkeit, Feiern und das Essen, ließen nicht nur die Freundschaft der beiden Familien aufblühen, sondern auch die Italienbegeisterung der Familie Syndikus.
Ein Jahr später erfolgte der Gegenbesuch in Deutschland, 1983 machte sich die Familie Syndikus wieder auf die Reise nach Italien. Alle Familientreffen wurden stets gebührend gefeiert.
Die deutsch-italienische Freundschaft wurde jedoch schon bald durch einen großen Verlust betrübt. Im Juni 1987 verstarb Gudrun. Doch die Stärke ihrer Freundschaft zeigte sich nochmals in dem Besuch von Anna, Guiseppe und Ivano, die nach Erhalt der Nachricht über Gudruns schlechten Gesundheitszustand kurzfristig die über 1000 Km lange Reise antraten, um ihre Freunde in Aschaffenburg zu besuchen.
Die Freundschaft blieb in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiterhin bestehen und sie beschränkte sich nun schon lange nicht nur auf Rainer, Anna und Guiseppe, sie hatte sich auf die Geschwister und die nachfolgenden Generationen ausgeweitet.
So besuchte Rainer 1988 die Hochzeit von Ivano und seiner Frau Gabriella, weitere Familienurlaube in Italien und Besuche in Badia, gemeinsame Geburtstagsfeiern und Familienfeste in Deutschland und Italien folgten. 2001 wurde in Schweinheim gemeinsam 40 Jahre Familienfreundschaft gefeiert. An der Feier nahmen nicht nur die Familie, sondern auch frühere Arbeitskollegen und -kolleginnen aus der Kleiderfabrik teil.
Bei der Feier zu Rainers 60. Geburtstag im Juli 2004 waren die Italiener natürlich auch dabei. 2011 wurde das 50. Jubiläum der Familienfreundschaft in Italien gefeiert. Aber auch in den folgenden Jahren blieben die gegenseitigen Besuche nicht aus.
Die Feier zu 60 Jahren deutsch-italienische Freundschaft soll in diesem Jahr in Italien stattfinden und wird darüber hinaus noch hoffentlich lange bestehen bleiben.
Rainer Syndikus hat ein Album zum 40. und zum 50. Jubiläum der Familienfreundschaft erstellt und dem Stadt- und Stiftsarchiv übergeben. Die Geschichten und die Bilder sind daraus entnommen.