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Alte Gaststätten (4) – Zum Kalten Loch

„Zum kalten Loch“ war eine Gaststätte mit ganz besonderem Lokalkolorit, aber ab wann es Gaststätte war, ist nicht bekannt. Sicher weiß man, dass 1838 ein gewisser Josef Geiger die „Konzession zum Bierbrauen und die Lizenz zur Verabreichung warmer Speisen an Schankgäste“ erhielt.
Im Laufe der nächsten Jahre wurde verschiedentlich an- und umgebaut, z.B. ein Eisraum und ein Malzspeicher wurden eingerichtet, also Räume, die eine Brauerei braucht. Das war die Kalt-Loch-Brauerei, die aber 1912 ihre Produktion einstellte.
1922 übernahm Leopold Roos, ein gebürtiger Bischbrunner, die Gaststätte. Bis dahin hatte sie einen nicht sonderlich guten Ruf. In ihr verkehrten sehr raubeinige Gesellen, die nur wenig vom Arbeiten, aber umso mehr vom Trinken hielten. Neben den Gläsern lag häufig ein Messer auf dem Wirtshaustisch. Die Wirte mussten nach der Pfeife ihrer Gäste tanzen und gaben sich sozusagen die Klinke in die Hand. In einem Jahr gab es beispielsweise fünf verschiedene Pächter.
Das alles änderte sich als Leopold Roos kam. Für die Trinker gab es Bier nur noch in arg ramponierten Krügen. Wer schon einen über den Durst getrunken hatte, bekam gar nichts mehr. Und wer sich den Gang auf die Toilette, die über dem Hof lag, sparen wollte, und sich im dunklen, unbeleuchteten Hof Erleichterung verschaffte, bekam mit einem Knüppel einige Streiche zu spüren. So dauerte es auch nicht lange, bis die alte Kundschaft wegblieb.
Nun kamen bessere Zeiten für das Kalte Loch.
Nicht nur die einfachen Bürger Aschaffenburgs, auch alles was Rang und Namen hatte, Ärzte, Professoren, Ingenieure, Apotheker und Ascheberger Originale gehörten von nun an zu den Stammgästen. Dieser Generation folgte die nächste, denn Leopold Roos blieb 40 Jahre lang bis 1962 Pächter im Kalten Loch.
Man traf sich zum Dämmerschoppen, diskutierte das Weltgeschehen und Aschaffenburger Neuigkeiten, spielte Schafkopf oder trank einfach nur sein Bier, das seit 1933 von der Martinsbrauerei in Marktheidenfeld kam. Manch einer hatte hier jeden Abend seinen Stammtisch. Bekannt waren die Rippchen, die groben Bratwürste und das Sauerkraut, das immer auf dem Ofen mitten in der Gaststube vor sich hin köchelte. Leopold Roos mochte keine Säufer, aber auch niemanden, der nur einen Fingerhut voll trank. Bestellte jemand ein kleines Bier, bekam er zur Antwort: „Komme Se widder, wenn Se Dorscht ham!“.
Um diese urige Gaststätte, die mit ihrer Hinterhoflage in der Badergasse selten von Auswärtigen gefunden wurde, rankt sich auch folgende Geschichte:

In den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg konnte man angeblich im ganzen Land, in den entferntesten Städten Deutschlands und an den unmöglichsten Stellen, an Parkbänken, Laternen und Wänden feuerrote Zettelchen entdecken, auf denen zu lesen war:

Hast du die ganze Welt befahren,
kennst Menschen, Land und Meer,
und kennst’s Kalte Loch in Aschaffenburg net,
dann dauerst du mich sehr!

Auf diesen Spruch hin soll ein Leipziger Hotelier, der auf den Weg in den Winterurlaub war, sogar einmal in Aschaffenburg, seiner Zwischenstation, ausgestiegen sein, das Kalte Loch gesucht und besucht  haben und in späteren Jahren immer mal wieder vorbei gekommen sein.
1964 wurde das Kalte Loch, das vom Krieg doch sehr mitgenommen war, abgerissen, nachdem Leopold Roos ein Jahr zuvor aufgehört hatte. Verewigt ist es aber in den Ascheberger Sprüch von Gustav Trockenbrodt und festgehalten mit einer Zeichnung von Adalbert Hock.

De Reißmathias(1)

De Michel hot im Hääße Schtä’ (2)
Sei’ Werkschtatt un Quatier,
Un zwickt’s ‚n noch so in de Bä’,
Er gäiht doch zu sei’m Bier.

De Reißmathias ziecht’n krumm,
Er autscht die ganze Woch‘,
Doch abends sou um finfe ‚rum
Da schlorcht er in’s Kalt‘ Loch.

Un frägt’n äner, wie’s ‚m gäiht,
So säigt er: „Könnt‘ ni‘ klage,
Wenn’s Zipperle ni‘ zwicke deht,
Wär’s Lebe zu ertrage.

Filzdappe hab‘ ich, reib‘ un schmier‘,
Trag‘ dicke Schtrümp‘ un Mutze (3),
Was hilft’s, wenn ich mei‘ Zehje schpier‘?
Des Zeig hot all‘ kän‘ Nutze.

Zeh‘ Johr‘ plagt mich scho‘ die Geschicht‘,
Da lernt mer, was Geduld is!
Es hert ni uff, es zwickt un schticht,
Der Deifel wääß, was schuld is!“

„Was schuld is? Michel, des mecht halt
Die annere Demberadur,
Bald sitzte hääß, bald sitzte kalt,
Was hilft da jede Kur?

Jetz‘ hot der’s Reiße in de Bä‘,
Un wunnert sich dann noch:
Am Tag hockt er im hääße Schtä‘
Un nachts im kalte Loch!“

 Gustav Trockenbrodt

(1)Rheumatismus

(2)Gaststätte „Zum heißen Stein“

(3)Wollene Jacke

 

Quellen:

Volksblatt vom 3.9.1992.

Main-Echo vom 28.12.1962 und vom 1.12.1964.

Trockenbrodt, Gustav: Ascheberger Sprüch“, 13.Aufl., 1988.

 

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