Ich bin Jahrgang 1966 und hatte das Glück und fast schon das Privileg, eine weitgehend unbeschwerte Jugend in Aschaffenburg verbringen zu dürfen (okay, schulisch war ich eine Niete, aber irgendetwas ist ja immer). Für uns „Kinder der 80er“ war in Aschaffenburg wirklich etwas geboten. Wer die „Tanztees“ im Martinushaus und den „Jugendgruppen“ (meist geführt von nickelbebrillten John-Lennons-Look-Alikes geführt) hinter sich gebracht hatte, der durfte dann bei den „Großen“ mitmachen. Vom Grunde her gab es in Aschaffenburg vier jugendkulturelle Strömungen: die „Ökos“, die „Waver“, die „Punks“ und die „Teds“.
Alle vier hatten ihre eigenen Läden. Die „Ökos“ trafen sich meist im „Pulpo“ oder „Erbsen-Schwind“ in der Erbsengasse oder im Gulli in der Riesengasse. Wer dort die Tür öffnete, wurde vom strengen Geruch selbstgedrehter Zigaretten oder den unvermeidlichen „Rothändle“-Kippen umwabert. Irgendwo war immer ein Tisch frei, an den man sich setzen und über Ungerechtigkeiten an der Arbeiterklasse schwadronieren konnte.
Die „Teds“, Freunde der Musik und des Lifestyles der 50er Jahre, trafen sich in der Regel eher in Damm, daher wurde von ihnen auch gerne von der „Dämmer Gang“ gesprochen. Typen mit gegelten und nach hinten gestriegelten Haaren und in Bomberjacken, die gelegentlich Ärger machten.
„Punks“ traf man am alten Bahnhof. Für viele von uns machten sie mit ihrem nonkonformen Lebensstil den Eindruck von Leuten ohne Zukunft – „no Future“ eben.
Meine „Strömung“ waren die „Waver“. Erkennbar an schwarzen, androgynen Klamotten, gelegentlich geschminkt, eben so, wie es unsere Bands wie „The Cure“, „Depeche Mode“ und viele andere Bands der damaligen Zeit auch waren. Ich wuchs mitten in die „Neue Deutsche Welle“ hinein, und selbstverständlich schauten wir auch etwas blasiert auf die anderen Genannten und die „Normalos“ herab… Was nicht hieß, dass wir deren Läden gemieden und uns deswegen auch den einen oder anderen Spruch abgeholt hätten. Schnell beleidigt war da aber niemand, es gab dann einfach einen Spruch zurück und damit war es gut. Es war friedlich.
Ein typischer Freitag- oder Samstagabend sah so aus, dass man sich mit Freunden im „Hollywood“ in der Ludwigspassage oder im „Hard Rock“ am Scharfen Eck traf, da zuerst einmal schön Musik zum Vorglühen hörte und dann, wie auf geheimes Kommando, die Autos stürmte und so gegen 21.00 Uhr in die Diskothek „Aladdins“ nach Hösbach fuhr. Da wurde unsere Musik (und natürlich auch „Mainstream“) gespielt, und da gab es die hübschesten Mädchen – vor allem aus Rodgau, aus dem seltsamerweise sehr viele junge Damen kamen. Gegen 1 Uhr war dann meist die Discothek „Cave“ im Rossmarkt angesagt, hier tummelten sich dann die wahren Nachtschwärmer, es war dunkel, es war laut und mit etwas Glück konnte man dort die beiden hübschen Töchter des Besitzers treffen. Da zappelten wir dann alle, und so toll wir auch angezogen gewesen sein mögen – aufgrund der Lichtverhältnisse hat das niemand gesehen. Besonders charmant war die Eingangstüre mit der kleinen Klappe – man kam sich immer etwas verrucht und „Underground“ vor, wenn man hinein durfte. Daneben gab es als Diskothek noch das „Papillon“, aber das war eher etwas für die so genannten „Landeier“, die da zu „Modern Talking“ tanzten, was in „Aladdins“ und „Cave“ zur sofortigen „Exekution“ des DJ geführt hätte.
Wer dann früh morgens völlig übernächtigt noch Hunger hatte oder die am Abend getroffene hessische Maid nach Hause brachte, der traf sich mit dem kläglichen Rest der Nachtschwärmer dann zum Frühstück an der Autobahnraststätte Weiskirchen. Alles in allem war es für mich eine schöne Zeit!