Von Wolfgang Krämer
Wir schreiben die Jahre 1961 bis 1985. Der Inhaber der Brauerei- und Gaststätte Georg Konrad Vogel war ein frommer Mann. Er achtete darauf, dass es in seinen Gasträumen sittlich zuging. Sobald er sah, dass sich ein verliebtes Pärchen umarmte oder der junge Mann auch nur den Arm um die Schulter seiner Freundin legte, geriet er in Wallung. Zitat: „Nehmen sie Ihre Hand aus Ihrer Frau, wir sind ein anständiges Haus.“ Ziemlich erschrocken gehorchten die Gäste. Manche verließen das Lokal.
Einmal belegte eine Gruppe junger Studenten das Hinterzimmer des Schlappeseppel. Zu Besuch in der Heimatstadt und voller Wiedersehensfreude genossen sie das Zusammensein in ihrem „Schlapp.“
Sie führten sich auf wie in ihrem Verbindungshaus und ihr Getöse alarmierte den gestrengen Herrn Vogel. Mit einem gehörigen Tadel auf den Lippen betrat er den Raum und erkannte sofort: Es handelte sich bei den übermütigen jungen Herren durchwegs um Söhne der renommierten Aschaffenburger Gesellschaft. „Wie schön, in meinem Haus mal wieder Burschenherrlichkeit zu erleben“, verkündigte es lauthals aus seinem Mund.
Ein traditioneller Trampelpfad nach dem Aschaffenburger Fastnachtszug war der Weg in den Schlappeseppel. Eine vergnügliche Gemeinschaft hatte sich, wie jedes Jahr wieder eingestellt. Es ging die Mär um, dass der Herr Wirt nicht sonderlich spendabel sei. Übermütig begannen die Gäste das Lob des Herrn Vogel zu besingen: „Kommt ein Vogel geflogen oder alle Vögel sind schon da.“ Genervt betrat der Hausherr die Bühne mit den Worten: „Aus, aus! Schluss jetzt! Jeder bekommt ein Freibier, wenn augenblicklich der Gesang aufhört.“ Doch dieses Freibier musste erst verdient werden. Der stimmgewaltige Chor musste eine Brauereibesichtigung über sich ergehen lassen und dies anschließend unter Angabe von Name und Adresse in einem Nachweisbuch dokumentieren. Offensichtlich, um diese Großzügigkeit steuerlich geltend machen zu können.
Nach Georg Konrad Vogels Tod (gest. 1970) führte seine Ehefrau Magdalena die Traditionsgaststätte und Brauerei weiter. Es war das erste Weihnachtsfest nach dem Tod ihres Mannes und wie jedes Jahr trafen wir jungen Leute uns am 2. Feiertag zum Frühschoppen. Wir Burschen wunderten uns, dass die Bedienung uns mehrmals aufforderte „Trinkt, Buwe, trinkt.“ Um 12.00 Uhr erschien Frau Vogel und wünschte uns ein frohes Weihnachtsfest und erklärte, dass alles was bis jetzt ausgeschenkt ist, aufs Haus gehe. Jetzt hatten wir die Aufforderung der Bedienung verstanden.
Frau Magdalena Vogel verstarb 1985.