Zum Inhalt

Das Soldatengrab an der Hohen Heister in Obersinn

Das Dorf Obersinn war bereits 1945 von den Amerikanern besetzt und die Bürger waren mit ihrer ganzen Familie, mit Wagen und Vieh sowie ihrem beweglichen Hab und Gut in die „Vimbach“ geflüchtet.

14 Tage später wagte sich der Waldarbeiter Alexander Mann zum letzten Kampfort an der „Hohen Heister“. Überall lagen Hülsen von Granatgeschossen herum, ein amerikanischer Jeep war von einer Panzergranate getroffen. Unweit davon lag ein zerschossener Sherman-Panzer sowie ein gefallener US-Soldat, dieser wurde später von seinen Kameraden abgeholt.

Alexander Mann fand am Kampfort auch den Luftwaffen-Obergefreiten Schimmareck, der bei dem Gefecht einen tödlichen Halsdurchschuss erlitten hatte. Allem Anschein nach hatten die deutschen Soldaten überstürzt den Rückzug vor den herannahenden amerikanischen Einheiten angetreten und sogar den gefallenen Kameraden zurückgelassen.

Wegen der Kriegswirren wagte niemand, die Bestattung des Soldaten im Obersinner Friedhof vorzunehmen. Mit einer Bescheinigung der Ortsverwaltung gingen deshalb am Folgetag der Gendarmeriemeister Lorenz Obert mit Ortspfarrer Eugen Schüll, die beiden Ministranten Otto Mack und Reinhard Zieres, der Totengräber Konrad Weikinger, der Schreiner Heinrich Keller und der Waldarbeiter Alexander Mann hinauf auf die „Hohe Heister“ und betteten den Soldaten dort zur letzten Ruhe. Die Ministranten Mack und Zieres bestätigten, dass Pfarrer Schüll die Beisetzung in vollem Ornat vornahm. Der Pfarrer nahm auch die Papiere und das Soldbuch des Obergefreiten an sich und meldete seinen Tod weiter.

Der damals 13-jährige Reinhard Zieres hatte sich den Kampfort näher angeschaut, er berichtet später, dass die Granathülsen dort überall verstreut gewesen seien. Ein solches Fundstück nahm er sich mit nach Hause.

Das Grab wurde umzäunt und mit einem schlichten Birkenholzkreuz versehen. Bis dato war in Obersinn bekannt, dass die sterblichen Überreste des Obergefreiten Schimmareck irgendwann auf den Heldenfriedhof in Gemünden am Main umgebettet wurden. Von hier soll er – so die Überlieferungen – in seine Heimat überführt worden sein.

Aber das Mahnmal mitten im Wald wurde deswegen nicht vergessen: Jahrelang lag das Soldatengrab an der „Hohen Heister“ in der Obhut des Staatlichen Forstamtes Mittelsinn. Zum 50. Jahrestag (4. April 1995) erinnerten sich die Obersinner Ortsbürger Helmuth Klein, Günter Preisendörfer, Alfred Baier und Egon Öchsner an das besagte Soldatengrab. Sie erstellten dort eine neue Mahnstätte und setzten dem Gefallenen einen Grabstein. Bis 2021 pflegten sie die Grabanlage, die Obersinner Gärtnerei Barta/Keller spendierte den Blumenschmuck.

Der unsichere Verbleib der sterblichen Überreste des Gefallenen Schimmareck ließ dem Obersinner Jürgen Gabel keine Ruhe: Im Bestandsbuch des in den Jahren 1954 bis 1957 gebauten Heldenfriedhofes taucht dieser Name niemals auf. Auch bei der Stadt Gemünden am Main ist der Name unbekannt. Ein intensiver Schriftwechsel mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Kassel verlief ergebnislos. Der Verein verwies an die ehemalige Wehrmachtsauskunftsstelle Berlin.

Nach Wochen traf von dort die erfreuliche Nachricht ein:

„Bei dem gesuchten Obergefreiten Schimmareck handelt es sich um Aloisius Rudolf, genannt Alwin Szymaniak, der am 22. April 1904 in Helbra/Eisleben geboren wurde und am 4. April 1945 bei Obersinn gefallen ist. Auf dem in Obersinn verbliebenen Gedenkstein ist der Name des Toten offensichtlich nur phonetisch in etwa wiedergegeben.“

Alwin Szymaniak wurde vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge am 20. Juni 1954 aus dem Feldgrab in Obersinn zur Kriegsgräberstätte Gemünden am Main überführt. Dort sind seine sterblichen Überreste im Grab Nr. 33 auf Feld III beigesetzt.

Die Deutsche Dienststelle teilt weiter mit, dass die korrekten Personalien erst durch die Entschlüsselung seiner bei der Ausbettung gefundenen Erkennungsmarke ermittelt wurden.

 

Text: Markt Obersinn und Alfred Andres

Fotos: Alfred Andres

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert