Aschaffenburg ist eine Stadt mit vielen Gastwirtschaften. Es gibt keine Schwierigkeiten für jeden Geschmack etwas Passendes zu finden. Manche Gaststätten gibt es schon seit vielen Jahren oder Jahrzehnten, andere entstehen neu, verschwinden wieder, um durch andere ersetzt zu werden.
Im Laufe der Zeit sind auch Gaststätten verschwunden, die einmal zum Lokalkolorit gehörten, in denen sich vor allem die Aschaffenburger trafen – auf ein Bier, zum Essen, um Freunde oder Bekannte zu sehen oder zum wöchentlichen Stammtisch. Damit die Erinnerung an diese Gasthäuser nicht verloren geht, sei hier von solchen verschwundenen Gaststätten und Kneipen erzählt.
Gasthaus zum Türken
Wo sich heute die Stadtloggia befindet, an der Ecke Dalbergstraße/Schlossgasse, stand bis zum Zweiten Weltkrieg eines der beliebtesten und gemütlichsten Gasthäuser Aschaffenburgs – das Gasthaus zum Türken.
Ursprünglich befand sich in diesem Haus eine Bäckerei, die im Volksmund „Rosenkranzbäcker“ hieß, weil die Frauen nach der 6-Uhr-Rosenkranzmesse in der Muttergotteskirche dort frisches Brot kauften.
1861 kaufte Reinhard Kreher das Haus und wandelte bald die 2. Haushälfte in eine Gastwirtschaft um. Ausgeschenkt wurde dort auch der Eigenbau des Besitzers, der Bischberger, ein Wein, der 1893 mit einer Silbermedaille ausgezeichnet worden war. Die Bäckerei blieb noch bis 1906 bestehen.
Bald war das Gasthaus zum Türken Treffpunkt für alle Honoratioren der Stadt, für die Herren vom Gericht, das damals noch unten in der Dalbergstraße an der Mainbrücke lag, für Geschäftsleute, Gymnasialprofessoren, Schauspieler und Künstler sowie für die Ratsherren. Deren Sitzungen im „Türken“ dauerten oft länger als diejenigen im Rathaus.
Viele Frühschoppen-Stammgäste fühlten sich dort wie zu Hause. Kein Wunder, hatte man Hunger, konnte man in die Küche gehen und sich die mitgebrachte Wurst in einem von Mutter Krehers Töpfen selbst heiß machen.
Doch woher kam der für eine Stadt wie Aschaffenburg doch recht ungewöhnliche Name „Zum Türken“? Gastwirt Kreher war in seiner Gesellenzeit als Wandergeselle bis in die Türkei gekommen. Das nahmen einige seiner weinseligen Künstlerfreunde zum Anlass ihn in Miniaturgröße im Nebenstübchen auf einem Wandgemälde zu verewigen – als Türke mit zinnoberrotem Fez.
Ab 1899 führte Toni Kreher, der Sohn der Wirtsleute, das Gasthaus. Zunächst hatte er eine kaufmännische Lehre in Aschaffenburg absolviert, fühlte sich aber mehr zur Musik hingezogen und begann mit 30 Jahren eine Ausbildung zum lyrischen Tenor am Konservatorium in Frankfurt. In zehn Opern hatte er mitgewirkt. Doch auch danach fand er in seiner Gaststätte Gelegenheiten seine Stimme glänzen zu lassen und sang zur Laute für seine Gäste. Geo Schäfer hat ihn einmal so porträtiert, mit der Laute unter dem Arm.
1932 musste die Gaststätte zum Türken schließen. Es gab Schwierigkeiten mit Weinlieferungen. Heute ist vom Gasthaus zum Türken nichts mehr zu sehen, denn es wurde 1945 völlig zerstört.
Quellen:
Main-Echo vom 21.6.1949 und vom 12.4.1961,
Grimm, Alois: Aschaffenburger Häuserbuch I, 1985, S. 219 f.