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23. April 1926: Kein Gastspiel von Charlie Chaplin in Aschaffenburg

„Charly ist da!“ – so lautete die Überschrift in einem Inserat, in dem für ein mehrtägiges Gastspiel im „Tivoli“ in der Zeitung geworben wurde. Charly Chaplin sollte mit seinem Ensemble selbst auftreten! Und das vier Tage lang.

Bei den Vorbereitungen zu einem Sonderheft des Stadt- und Stiftsarchivs über Kinogeschichte, das 1995 veröffentlicht wurde, wurde dies dann auch so übernommen, als ob der echte Charlie Chaplin in Aschaffenburg gewesen wäre.

In Wirklichkeit war aber nicht Charlie Chaplin selbst, sondern ein Chaplin-Imitator zu Gast in Aschaffenburg! Der wirkliche Charlie Chaplin hatte bereits 1919 mit seinen Schauspielkollegen Douglas Fairbanks (1883-1939), Mary Pickford (1893-1979) und David Wark Griffith (1875-1979) die Filmfirma „United Artists“ gegründet, wodurch er eine größere Unabhängigkeit und größere Kontrolle über seine Filme gewann.

Bereits zuvor waren seine Filmgagen schon unermesslich hoch, so dass sich ein Kino wie das „Tivoli“ ein Engagement eines Weltstars sich gar nicht hätte leisten können. Die Schreibweise des Imitators lässt ebenfalls erahnen, dass es sich nicht um den richtigen „Charlie“ handelte, denn er schreibt sich schon aus rechtlichen Gründen „Charly“ – mit „y“.

Unserem damaligen Praktikanten und Filmfan Franz Peter Wirth ist es zu verdanken, dass er 2010 diese Geschichte aufgegriffen und darüber einen Beitrag in den „Mitteilungen…“ geschrieben hat. https://stadtarchiv-aschaffenburg.de/wp-content/uploads/2018/05/09-5_265-320_Inhalt1.pdf   (S. 314-320)

Das Kino „Tivoli“ in der Sandgasse 21 wurde am 24. Januar 1920 eröffnet und bot Platz für über 500 Besucher. Es war mit über 500 Sitzplätzen das bis dahin größte Kino in der Stadt. Leider wurde es im 2. Weltkrieg völlig zerstört. Jahrzehntelang war dieser Platz hinter der Sandgasse (an der Badergasse) eine freie Fläche mit Parkplätzen, bis vor einigen Jahren ein Investor auf einer Teilfläche davon einen Wohnkomplex mit dem klangvollen Namen „TIVOLIving“ – in Anlehnung an das Kino „Tivoli“ – eröffnete.

Das TIVOLI wurde von Fritz Rüth betrieben. Den ältesten seiner privat gedrehten Filme über das 50jährige Feuerwehrjubiläum 1912 kann man im Internet ansehen: https://stadtarchiv-aschaffenburg.de/aelteste-filmaufnahmen-aus-der-stadt-entdeckt-und-digitalisiert

Quellen:

SSAA, Aschaffenburger Zeitung 1926, Nr. 93, 24. April, Seite 8.

Werner Krämer, Chronik der Aschaffenburger Kinogeschichte, in: Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg 5 (1996-1998), S. 20 u. 21.

Franz Peter Wirth, Gastspiel eines Weltstars – Charlie Chaplin in Aschaffenburg? Zur Geschichte einer Falschmeldung, in: Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg 9 (2008-2010), S. 314-319.

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