Ergänzend zum Beitrag Der große Exodus: Die Auswanderungswellen im 18. Jahrhundert aus dem Ämtern Bieber und Lohrhaupten (von Rolf Jülg) sei hier zum Vergleich ein von Bruno Schneider bei seinen Lektüren wiederentdeckter Artikel aus dem Lohrer Anzeiger vom Dienstag, den 20. April 1880 wiedergegeben. Der Text bietet einen guten Einblick auf welche Weise etwa einhundert Jahre später die Emigration öffentlich wahrgenommen wurde, die sogar von der Bayerischen Regierung gefördert wurde:
„Zur Auswanderung im Spessart.
Aus dem Spessart, 18. April [1880].
Unsere Auswanderer rüsten sich wacker zur nahe bevorstehenden Abreise und können kaum den Tag erwarten, der sie der neuen Heimat zuführt. Die wahrhaft väterliche Fürsorge der hohen königlichen Regierung wie sie sich in der ganzen Auswanderungsangelegenheit bewährte, ist ein nicht genug zu rühmende und anzuerkennende. Die Sorgfalt hochderselben erstreckte sich auf das Eingehendste über alle Verhältnisse der Auswanderer und deren Verwandten in Amerika, über die Tätigkeit der Komites zum Schutze der Auswanderer und über die Bestmöglichste Beförderung über Hamburg in Klammern (Bothof) in deutscher Linie, trotz hierdurch nicht unbeträchtlicher Mehrung im Kostenpunkte. Von einer zwangsweisen Auswanderung oder systematisch betriebene Entvölkerung im Spessart, wie einige Artikel in anderen Zeitungen darlegten, ist selbstverständlich keine Rede, im Gegenteil aber von Abweisungen von Gesuch Stellungen solcher Personen, die sich auch hierzulande fortzubringen, oder sich die Überfahrtskosten zu verdienen mögen. Es erhielten teils Beihilfen, teils die volle Deckung der Kosten zur Auswanderung neben der Zusicherung eines Handgeldes und Kleidungsbetrages 12 Familien und einige ledige Personen aus Heigenbrücken, zusammen 59 Personen und 21 Köpfe aus Wiesthal, so daß am 26. April dieses Jahres eine Gesellschaft von 80 Menschen abreisen wird, welche sich am 28. Dieses Monats in Hamburg einschiffen werden Punkt als Begleiter und Vertrauensmann reiste Lehrer Freund zu Heigenbrücken, der sich um das Gelingen des Projektes verdient gemacht hat, bis Hamburg mit Punkt der Gesamtaufwand aus regierungsmitteln mag so annähernd 8000 Mark betragen.
Die Verkörperung und der bei notorisch vorhandener Übervölkerung von den besten Männern des Spessarts längst befürwortete Auswanderungs-Idee ist ein hohes Verdienst der königlichen Regierung und die wirksamste Hilfe den armen Spessartbewohnern, sowohl den auswandernden Personen selbst, als den Gemeinden insbesondere Punkt wir wollen das behaupten und beweisen durch das Uhr teil der armen Auswanderer selbst, welches in dem Satz präzisiert werden kann: „Wenn es uns in Amerika schlecht geht, so sind wir es gewöhnt, wenn es uns aber gut geht, so wollen wir Gott und allen, die uns geholfen haben, innigst danken.“ Weiter wollen wir aus vor uns liegenden, täglich einlaufenden Briefen von Verwandten in Amerika nur einige Sätze hervorheben, die übereinstimmend den Aufschwung, den Reichtum die Freiheit Amerikas gegenüber den ewig neuen Steuern und neuen Soldaten, der Verdienst Losigkeit und den Notständen in Deutschland bekunden. So heißt es in einem vom 15. März c Punkt datierten Briefe: „ Wir danken Gott, daß wir in Amerika sind; Es geht uns gut, wir leben recht zufrieden, sind gesund und haben ein gutes Fortkommen Punkt an Not ist gar nicht zu denken; Wer arbeiten will, findet immer viel höheren Lohn, als in Deutschland und Lebensmittel im Überfluss Punkt der Unbemittelte lebt so gut, wie in Deutschland der Reiche nie: jede Mahlzeit bringt Fleisch auf den Tisch Punkt der Mann muss freilich hart arbeiten, aber auch die Frauen und Kinder können viel Geld verdienen.“ Ein anderer Brief vom 19 März 1880 beschreibt die Verhältnisse eines Ökonomie treibenden Mannes (aus Heigenbrücken) und enthält die Einladung der Familie des Bruders, worin es heißt „Ich habe hier noch keinen Bettler, keinen Gerichtsvollzieher und keine Gendarmen gesehen Punkt ich brauche mein Feld gar nicht zu düngen und mein Vieh nur vom November bis April im Stall zu füttern Punkt ich esse kein Kartoffelbrot mehr und habe heuer 9 Schweine geschlachtet, die 17 Zentner gewogen haben.“ Ein vor 9 Jahren ausgewanderter armer Taglöhner schreibt seinem Bruder: „Tränen flossen über meine Wangen, als ich euren Brief Lars Punkt wenn man so traurige Nachrichten aus Deutschland täglich durch die Zeitung vernehmen kann, da müsste man ganz gefühllos geworden sein, wenn man da nicht an die dort wohnenden Geschwister, Freunde und Bekannte denken würde. Wenn du bei uns bist wirst du oft denken, o warum bin ich nicht schon früher nach Amerika ausgewandert.“ Auch ist nicht zutreffend, was man über die Personen der Spessarter Auswanderer, über Arbeitsgelegenheit und über die Trauer der unpopulären Zwangsauswanderung schreibt, wohl aber ist es wahr, daß der Artikel über die Spessarter Auswanderer, worin die Biographie von vier Familien enthalten, und welche Unbegreiflicherweise von verschiedenen Zeitungen rücksichtslos gebracht wurde, sehr böses Blut gemacht hat. Man sollte denn doch die armen Auswanderer nicht lieb und zwecklos öffentlich verhöhnen und eine vertraulich gemachte, die Reiseunterstützungen motivierende Äußerung nicht sofort an die große Glocke hängen.
Darum Mut und Vertrauen ihr lieben Auswanderer! Ihr steht durch die hochherzige Hilfeleistung der königlichen Regierung nicht mittellos im fremden Lande, Ihr alle wisst Freunde und Bekannte aufzusuchen, die euch freundlich und mit bestem Willen aufnehmen und mit Rat und Tat an die Hand gehen werden. Mit Gott ans Werk und Glück zur Reise!“